GDV: Mehr Unfälle bei Senioren
Gegen den Trend steigt die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen ältere Menschen beteiligt sind. Das hat eine Auswertung des Versichererverbands GDV ergeben. Die Experten appellieren an die Einsicht der Betroffenen und empfehlen sogenannte Rückmeldefahrten.

(Foto: PublicDomainPictures/Pixabay)
Im Hamburger Stadtteil Othmarschen gibt es einen regelrechten Hotspot: Regelmäßig krachen in der Waitzstraße Fahrzeuge in die Schaufensterscheiben der Geschäfte – häufig am Steuer: Seniorinnen oder Senioren. Offensichtlich überfordert einige die etwas unübersichtliche Gemengelage in der Einkaufsstraße. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat zur grundsätzlichen Problematik nun Zahlen vorgelegt: Während die Zahl der an Unfällen mit Verletzten und Getöteten beteiligten Pkw-Fahrenden insgesamt zwischen 2013 und 2023 um zwölf Prozent auf rund 303.800 zurückging, stieg sie in der Gruppe der ab 75-Jährigen um 26 Prozent auf rund 21.500. Drei von vier Beteiligten ab 75 Jahren verursachten 2023 den Unfall selbst (77 Prozent). Sie waren in 16.468 Fällen Hauptverursacher (plus 28 Prozent gegenüber 2013). „Auf Deutschlands Straßen sind Ältere immer mehr unterwegs“, sagt Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im GDV. Die von der Generation 75plus mit dem Auto zurückgelegte Strecke nahm zwischen 2008 und 2017 um knapp 95 Prozent zu (aktuellere Zahlen nicht verfügbar). Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Immer mehr Ältere ab 75 mit Führerschein
Bundesweit besitzen immer mehr Menschen ab 75 Jahren einen Führerschein: „Gab es 2015 noch knapp 2,5 Millionen Führerscheinbesitzer in der Generation 75plus, waren es 2024 mit fast 5,9 Millionen mehr als doppelt so viele“, so Zeidler. Besonders gewachsen ist die Gruppe der Frauen mit Führerschein (1,9 Millionen, 2015: rund 0,7 Millionen). Ganz grundsätzlich ist das eine Folge der demografischen Entwicklung:1950 war laut Statistischem Bundesamt noch jede zehnte Person (10 Prozent) auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland 65 Jahre und älter. 2021 stieg ihr Anteil auf mehr als ein Fünftel (22 Prozent) oder knapp 19 Millionen. Rund ein Drittel davon ist über 80 Jahre alt.
Rückmeldefahrten für sicheres Fahren
Gemessen an der Fahrleistung steigt das Unfallrisiko ab 75 Jahren deutlich, weil Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit sukzessive nachlassen. Das zeigt sich in komplexen Situationen an Kreuzungen mit vielen Fußgängern, Autos und Radfahrern oder auch auf ungewohnten Strecken. Sogenannte Rückmeldefahrten helfen dabei, möglichst lange sicher Auto zu fahren. „Fahrende erhalten nach einer 45minütigen Fahrt im eigenen Auto eine vertrauliche Rückmeldung von Experten und können ihr Fahren anpassen, etwa unbekannte Strecken oder Stoßzeiten meiden“, so Zeidler. Entscheidend ist, dass das Ergebnis keine Folgen für den Führerschein hat. Das steigert die Akzeptanz. Die UDV hat in zwei Forschungsprojekten nachgewiesen, dass Probanden sicherer und souveräner fuhren.
Poller statt Test
Nach neuen EU-Bestimmungen muss Deutschland in den kommenden vier Jahren eine von drei Auflagen an die Erneuerung des Führerscheins alle 15 Jahre knüpfen: Selbstauskünfte, Gesundheitschecks oder alternative Maßnahmen. Für Autofahrende ab 75 Jahren sind laut UDV Rückmeldefahrten am besten geeignet. In Ländern wie Spanien und Portugal sind Fahrtauglichkeitstests für Ältere vorgeschrieben. Die wird es in Deutschland wohl auf absehbare Zeit nicht geben – beim Hamburger Unfallschwerpunkt Waitzstraße wurden übrigens massive Stahlpoller installiert, um den Autofahrern beim Parken die Orientierung zu erleichtern und die Schaufenster zu schützen. Bis jetzt mit Erfolg.
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