30.09.2019 Vermittlerwelt

Was der stationäre Vertrieb von den Insurtechs lernen kann

Dr. Matthias Gröbner ist Experte für digitale Versicherungen. Im VP erklärt er, warum die Transformation auch Maklern große Chancen bietet.

Dr. Matthias Gröbner ist Managing Partner bei Detecon International in Frankfurt/Main. (Foto: Detecon International)
Dr. Matthias Gröbner ist Managing Partner bei Detecon International in Frankfurt/Main.
(Foto: Detecon International)

Früher war der Versicherungsvermittler in der lokalen Vereinswelt verwurzelt, kannte die Menschen im Ort und konnte sie individuell beraten. Mit der Versicherung hatte der Kunde allenfalls im Schadenfall zu tun. Doch in Zeiten des Internet vertreiben Versicherungen ihre Produkte immer häufiger direkt und über Vergleichsportale. Zudem kooperieren sie mit Insurtechs, die sich auch als Konkurrenz zu den stationären Vermittlern verstehen.

Sorgen der Vermittler.

Die klassische Vermittlerschaft klagt folglich über wachsenden Druck durch die Digitalisierung und bemängelt außerdem eine Ungleichbehandlung durch zunehmende Regulierungen. Vermittler wünschen sich, wie zuletzt über Ihre Verbandsvertretungen in der „Bonner Erklärung“ festgehalten, von der Versicherungswirtschaft einen fairen Umgang und Wettbewerb zwischen stationärem und Online-Vertrieb. Machen Versicherungen den Vermittlern das Leben also unnötig schwer? So einfach ist es sicher nicht, denn mit der Stärkung digitaler Kanäle und kanalübergreifender Kommunikation reagieren die Versicherungen im Wesentlichen auf die branchenübergreifend steigende Nachfrage der Kunden nach solchen Kommunikationsformen. Der stationäre Vertrieb sollte daher die vermeintliche Konkurrenz nicht als Problem sehen, sondern sich eher überlegen, was er von Insurtechs lernen kann.

Eigene Vermarktung.

Insurtechs kommunizieren mit ihren Kunden über digitale Kanäle möglichst einfach und effizient. Insbesondere digitalaffine Kunden erwarten, dass sie mit ihren Ansprechpartnern auch über WhatsApp, Facebook oder Videotelefonie kommunizieren können. Die meisten Versicherer bieten diese Möglichkeiten noch nicht, daher können Vermittler hier einspringen und die weitere Kommunikation in Richtung Versicherer übernehmen. Die Versicherungs-Start-ups sind Meister der Vermarktung in den sozialen Medien. Sie generieren Follower, indem sie regelmäßig interessante Inhalte über Social Media kommunizieren und so ihre Kunden an sich binden. Was früher die Werbung im Gemeindeblatt war, ist nun die regelmäßige Publikation von Inhalten auf Facebook, Twitter & Co. Vermittler sollten hier übrigens nicht auf die Unterstützung der Versicherungen warten, sondern ihren Auftritt selbst in die Hand nehmen.

Digitale Ökosysteme.

Die Digitalisierung führt zu zunehmender Vernetzung. Start-ups sind es gewohnt, sich in digitale Netzwerke – sogenannte Ökosysteme – geschickt einzubringen und mit Partnern zu kooperieren, um dem Kunden übergreifende Dienstleistungen anbieten zu können. Der stationäre Vertrieb sollte daher keine Hemmungen haben, sich auf neue digitale Produkte wie Smart-Home-Hausratversicherung oder Telematik-Kfz-Tarife einzulassen und sich mit den Kooperationspartnern und deren Technologien zu beschäftigen. Digitalaffine Kunden, die Apps oder Versicherungsordner von Insurtechs nutzen, hinterlassen wichtige Informationen über sich, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zum Beispiel für Cross- und Up-Selling analysiert werden können.

Nutzung neuer Technologien.

Für den klassischen Vermittler ist die Sammlung von Kundendaten Kern seines Geschäftsmodells. Sie sollten daher – natürlich DSGVO-konform – systematisch und elektronisch gepflegt werden, denn diese Daten sind ein Schatz für zukünftige Analytics-Tools und sprichwörtlich Gold wert. Der stationäre Vertrieb sollte digitale Vertriebskanäle ins eigene Ökosystem integrieren und versuchen, sich selbst geschickt an der Kundenschnittstelle zu halten und den eigenen Mehrwert darzustellen. Denn in einer Sache sind die Vermittler den digitalen Kanälen noch um Längen voraus: Sie können Kunden bei komplexen Produkten beraten – und hierfür ist immer noch das persönliche Gespräch entscheidend.

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