Große Aufregung um Kleingedrucktes
Beratungsverzicht im Kleingedruckten? Das geht gar nicht! Rechtsanwalt Norman Wirth, Kolumnist des FOCUS MONEY-Versicherungsprofi, erklärt, warum das Landgericht München I die ADAC Versicherung ausgebremst hat und was das Urteil für Vermittler bedeutet.

(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Der Fall.
Die ADAC Versicherung AG bewarb in einem Schreiben an ihre Kunden die Unfallversicherung „Unfallschutz Exklusiv“. Die Angeschriebenen konnten den Vertrag unter anderem abschließen, indem sie das beiliegende, bereits ausgefüllte Überweisungsformular nutzten und den geforderten Betrag zahlten. Das Schreiben enthielt auch einen vorformulierten Beratungsverzicht. Dieser war im Text zwar grafisch umrahmt und hervorgehoben, aber in das Schreiben integriert, ohne gesonderte Unterschrift oder ausdrückliche Bestätigung. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hielt dies für unzulässig und klagte.
Das Urteil.
Das Landgericht München I (Az. 3 HK O 9060/24) entschied, dass ein Beratungsverzicht nach § 6 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nur wirksam ist, wenn er gesondert und eindeutig erklärt wird. Dabei stellte das Gericht klar: Ein separates Dokument ist zwar nicht erforderlich. Aber die Verzichtserklärung muss optisch und inhaltlich klar vom übrigen Text getrennt sein. Ein bloßer Hinweis – auch wenn er umrahmt oder hervorgehoben ist – genügt nicht, wenn er im Fließtext „versteckt“ bleibt. Und: Der Kunde muss den Verzicht bewusst und eigenständig abgeben, etwa durch gesonderte Unterschrift oder ausdrückliche Bestätigung (z. B. Checkbox im Online-Bereich). Weil das hier jedoch nicht der Fall war, wies das Landgericht die ADAC Versicherung mit deutlichen Worten in die Schranken: „Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, mit Verbrauchern Versicherungsverträge zu schließen und dabei einen Verzicht des Verbrauchers auf eine Beratung einzuholen, wenn dieser Verzicht nicht vom Verbraucher gesondert erklärt wird.“
Die Bewertung.
Das Urteil hat Signalwirkung für die gesamte Branche. Standardisierte Hinweise im Antrag oder Anschreiben sind rechtlich riskant, selbst wenn sie grafisch auffallen.
So geht’s richtig:
• eine gesonderte Passage, die nur den Beratungsverzicht betrifft
• deutliche optische Abhebung mit klarer Trennung vom übrigen Text
• eine separate Unterschrift oder aktives Ankreuzen einer Checkbox
• Dokumentation und Archivierung der Verzichtserklärung für den Nachweis im Streitfall
Das Fazit.
Das LG München zieht die Linie scharf: Ein Beratungsverzicht darf nicht im Kleingedruckten „untergebracht“ werden – selbst eine grafische Hervorhebung im Fließtext reicht nicht. Versicherer und Vermittler sollten ihre Unterlagen jetzt überprüfen. Wer den Verzicht klar, transparent und bewusst abfragt, bleibt auf der sicheren Seite.
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