Kind gerettet, Auto kaputt – haftet der Versicherer?
Um sein Kind zu befreien, das versehentlich im Auto eingesperrt war, schlug ein Vater die Fensterscheibe ein. Dies sei „Vorsatz“, argumentierte der Kaskoversicherer und verweigerte die Zahlung. Jem Schyma und Raimund Mallmann erörtern den interessanten Fall, der von der Versicherungsombudsfrau entschieden wurde.

(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.
Ein Vater setzte sein Kind in den Kindersitz seines Autos und schloss die Fahrzeugtür. Plötzlich verriegelte sich das Fahrzeug. Der Autoschlüssel befand sich noch im Wageninneren. Der Versuch, dem Kind zu erklären, wie es das Fahrzeug von innen entriegeln könne, scheiterte. Stattdessen ging die Alarmanlage los. Daraufhin schlug der Vater die Fensterscheibe ein, um sein Kind aus der Gefahrenlage zu befreien. Dabei beschädigte er die Fahrzeugtür.
Sein Kaskoversicherer lehnte eine Kostenübernahme für die Reparatur von Scheibe und Tür ab. Laut Vertrag und Versicherungsvertragsgesetz seien vorsätzlich herbeigeführte Schäden nicht gedeckt. Dieser Ausschluss greife hier. Schließlich habe der Vater die Scheibe mit voller Absicht eingeschlagen.
Die Entscheidung.
Statt vor Gericht landete dieser aktuelle Fall bei der Versicherungsombudsfrau. Diese veranlasste den Versicherer zur Zahlung der Schäden (Entscheidungen der Schlichtungsstelle sind bis 10.000 Euro für den Versicherer bindend). Der Vorsatzausschluss greife bei notstandsähnlichen Situationen nicht, wenn die Notstandshandlung aufgrund einer entsprechenden strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verpflichtung vorgenommen werde. Hier habe für den Vater eine besondere Fürsorgepflicht für sein Kind bestanden. Ein längeres Warten sei für ihn unzumutbar gewesen.
Die Sichtweisen.
Die rechtliche Bewertung notstandsähnlicher Situationen ist seit jeher umstritten. Einige Versicherungsrechtler – wie hier der Kfz-Versicherer – argumentieren, dass eine solche Situation nichts am Vorsatzausschluss ändere, weil nicht das versicherte Interesse gerettet würde.
Die Versicherungsombudsfrau schloss sich dagegen einer differenzierteren und wohl vorherrschenden Ansicht an. Demnach seien zwar die Voraussetzungen des Vorsatzausschlusses in solchen Situationen formell gegeben. Der Versicherer könne sich aufgrund der Begleitumstände jedoch nicht auf den Ausschluss berufen.
Die Bewertung.
Die Entscheidung ist folgerichtig und für weitere Fallkonstellationen relevant. Man denke etwa an den Fall der sogenannten „Selbstaufopferung im Straßenverkehr“, in denen ein Autofahrer das Leben eines Kindes rettet, indem er sein Fahrzeug vorsätzlich gegen einen Baum fährt.
Würden Versicherungsnehmer, die eine versicherte Sache im Rahmen einer Rettungstat beschädigen, stets auf dem Schaden sitzen bleiben, müsste jedem Einsatz für Leib und Leben eines anderen erst eine Abwägung der Interessen vorangehen. Das ist realitätsfern und auch gesellschaftspolitisch nicht wünschenswert.
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