Leistungsausschlüsse müssen transparent sein
Bei Ausschlussklauseln müssen Verbraucher verstehen können, wann genau ein Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Der Bundesgerichtshof stellt daran strenge Anforderungen. In dem brisanten Fall ging es um eine Auslandsreisekrankenversicherung. FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, was das Urteil für Versicherte bedeutet.
Der Fall.
Der Versicherungsnehmer (VN) hat eine Auslandskrankenschutzversicherung abgeschlossen, die im Schadensfall aber nur nachrangig leistet. Außerdem beinhaltet seine Kreditkarte eine Auslandsreisekrankenpolice bei einem anderem Versicherer (VR). Deren Bedingungen schließen Leistungen bei „bereits vorher bekannten medizinischen Zustand“ unter Angabe von Beispielen aus. Der an Diabetes erkrankte VN flog 2018 von Frankfurt nach Miami. Vor seinem gebuchten Rückflug 2019 wurde er Ende 2018 in Florida wegen Bakteriämie und Entgleisung des Diabetes (Ketoazidose) behandelt. Der vom VN als Gesamtschuldner in Anspruch genommene erste VR regulierte Behandlungs- und Transportkosten und verlangte vom zweiten VR Ausgleich (§ 78 VVG). Dieser sperrte sich. Der Diabetes habe bereits bei Reisebuchung bestanden. Eine Leistung sei daher ausgeschlossen.
Das Urteil.
Zwischen den beiden Versicherern kam es zum Streit. Das Landgericht Köln (Az. 20 O 710/21) und das Oberlandesgericht Köln (Az. 20 U 360/22) gaben der Klage des ersten VR Recht. Der zweite VR könne sich nicht auf einen Ausschluss berufen. Die Erkrankung an Bakteriämie und die Entgleisung seines Diabetes (Ketoazidose) sei unvorhergesehen gewesen. Die Ausschlussklausel verstoße gegen das Transparenzgebot.
Die Revision.
Der Bundesgerichtshof wies die Revision des zweiten VR zurück (Az. IV ZR 129/23). Die Richter am BGH bestätigten die Einschätzungen des LG und OLG Köln: Die Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB und ist unwirksam. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird nicht abschließend bestimmen können, welche vor Reiseantritt bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einem Leistungsausschluss führen. Er wird noch verstehen, dass eine Krankheit gemeint ist. Da aber nicht definiert wird, welcher medizinische Zustand zu einem Leistungsausschluss führt, wird er auch trotz der aufgelisteten Beispiele nicht erkennen, welche weiteren „Zustände“ vom Ausschluss erfasst sein sollen und welche nicht.
Der Ausblick.
Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung für Ausschlussklauseln in privaten Krankenversicherungen. Der BGH stellt klar, dass Diabetes allein noch kein zum Ausschluss führender „medizinischer Zustand“ sein muss. Im Gegenteil, wie der verhandelte Fall zeigt: Selbst später eintretende Zustände wie eine Bakteriämie und Ketoazidose, die auf einer Grunderkrankung basieren, können zu Leistungsansprüchen führen. Es kommt also darauf an, ob die konkreten Bedingungen die Ausschlussgründe bei bekanntem Diabetes hinreichend klar definieren.