Private Unfallversicherung: Wann endet eine ärztliche Behandlung?
In der privaten Unfallversicherung kann für die Dauer der Arztbehandlung Anspruch auf Tagegeld bestehen. Doch endet die Behandlung mit dem letzten Arztbesuch oder erst nach einer verordneten Therapie? Einen aktuellen Fall zu dieser Frage beleuchtet VP-Experte Dr. Markus Weyer.
Der Fall.
Der Versicherungsnehmer (VN) besitzt seit 2011 eine private Unfallversicherung. Bei einem Unfall verletzte er sich den Finger. Der behandelnde Facharzt verschrieb ihm im Juni 2016 wegen eines andauernden Bewegungsdefizits Krankengymnastik. Im Februar 2017 suchte der VN erneut den Facharzt auf, der ihm diesmal Physiotherapie verordnete. Der Versicherer (VR) zahlte dem VN nur bis einschließlich Juni 2016 Tagegeld. Eine weitergehende Zahlung verweigerte er mit der Begründung, dass nach diesem Datum keine ärztliche Behandlung mehr erfolgt sei. Es kam zum Streit.
Der Rechtsstreit.
Voraussetzung für die Zahlung von Tagegeld ist, dass die versicherte Person unfallbedingt in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und in ärztlicher Behandlung ist. Das LG Regensburg (Az. 32 O 647/17) und das OLG Nürnberg (Az. 8 U 636/18) wiesen aber die Klage auf Zahlung von Tagegeld für die Zeit vom Juni 2016 bis zum Februar 2017 zurück. Eine ärztliche Behandlung im Sinne der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2008) entspräche einer Behandlung durch einen Arzt selbst. Es komme zum Ausdruck, dass weder die Behandlung durch Physiotherapeuten noch eine solche etwa durch Heilpraktiker oder Masseure unter diesen Begriff fielen. Der Anspruch auf Tagegeld ende daher am Tag der letzten persönlichen Vorstellung in der Praxis des Arztes.
Das BGH-Urteil.
Die Revision des Versicherungsnehmers beim BGH hatte Erfolg (Az. IV ZR 19/19). Die nach den AUB 2008 für den Anspruch auf Tagegeld maßgebliche ärztliche Behandlung endet demnach nicht stets mit der letzten Vorstellung beim Arzt. Sie umfasst vielmehr regelmäßig die Dauer der von dem Arzt angeordneten Behandlungsmaßnahmen. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN geht davon aus, dass die Klausel nicht auf den letzten Arztbesuch abstellt, sondern auf die Dauer der ärztlichen Behandlung. Das wird er dahingehend verstehen, dass es in erster Linie auf das Handeln des Arztes ankommt. Dabei sind im Regelfall auch etwaige von ihm verordnete Behandlungsmaßnahmen, wie die Einnahme eines Medikaments oder die Durchführung einer Therapie, einzubeziehen. Ob mit dem Arzt danach noch einmal ein Kontrolltermin vereinbart sei, spiele keine Rolle.
Der Ausblick.
Laut den BGH-Richtern muss das OLG Nürnberg jetzt noch klären, ob der Mann die verschriebene Krankengymnastik auch wirklich wahrgenommen hat. Sollte das zutreffen, steht dem VN Anspruch auf Tagegeld für den gesamten Zeitraum zu. Für zukünftige Fälle ist klar, dass es nicht darauf ankommt, ob der behandelnde Arzt selbst die verordnete Behandlung wie Krankengymnastik für eine ärztliche Behandlung hält oder nicht.