Wenn der Versicherer einen Detektiv schickt
Nach einem Autounfall ließ der Haftpflichtversicherer den Geschädigten heimlich observieren. Laut OLG Oldenburg muss der Versicherer die Ermittlungsergebnisse des „Schnüfflers“ offenlegen. Die Rechtsexperten des FOCUS MONEY-Versicherungsprofi, Jem Schyma und Raimund Mallmann, erläutern den spektakulären Fall.
Der Fall.
Nach einem Verkehrsunfall nahm der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers in Anspruch. Dieser hatte jedoch Zweifel an dem Ausmaß der unfallbedingten gesundheitlichen Einschränkungen. Er beauftragte deshalb eine Detektei, die den Geschädigten über mehrere Wochen heimlich observierte. Der Privatermittler verfasste für den Haftpflichtversicherer einen Bericht über die beobachteten körperlichen Einschränkungen des Unfallopfers in dessen Alltag.
Als der Geschädigte von den Observationen der Detektei erfuhr, verlangte er vom Versicherer eine Kopie des Dokuments. Der Versicherer hielt sich bedeckt und verweigerte die Herausgabe des Detektivberichtes. Sein Argument: Es bestehe ein Geheimhaltungsinteresse des Versicherers. Im Falle einer Klage des Unfallopfers wolle er sich effektiv verteidigen können.
Die Entscheidung.
Prompt zog der ausspionierte Unfallgegner vor Gericht und machte gegen den Haftpflichtversicherer seinen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geltend. Er wolle erfahren, welche Daten der Versicherer über ihn erhoben und ob der Versicherer in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen habe.
Das Landgericht Osnabrück wies die Klage ab. Das datenschutzrechtliche Geheimhaltungsinteresse des Haftpflichtversicherers stehe über dem Auskunftsanspruch des Klägers, entschieden die Richter.
Die Berufung.
Das höherinstanzliche Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 13 U 48/23) hingegen räumte dem Auskunftsanspruch eine höhere Priorität bei: Die verdeckte Observation und die daraus resultierenden Berichte der Detektei würden personenbezogene Daten des Klägers betreffen. Diese müsse der Haftpflichtversicherer gemäß Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) offenlegen.
In solchen Fällen bestehe grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen an der begehrten Auskunft. Anders als der Versicherer behauptet habe, liege ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse nicht vor.
Die Bewertung.
Bei der Feststellung ihrer Leistungspflicht erheben Versicherer regelmäßig umfangreiche Daten – manchmal sogar durch die Beauftragung von Detektiven. Umfassen die Erhebungen der Versicherers jedoch personenbezogene Daten, steht dem Betroffenen grundsätzlich ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch auf Offenlegung der Ermittlungsergebnisse zu.
Ein pauschales Geheimhaltungsinteresse der Versicherer besteht nicht. Die aus Sicht betroffener Versicherungsnehmer zu begrüßende Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Az. VI ZR 576/19) und ist auch auf andere Versicherungssparten übertragbar.