30.05.2022 Vermittlerwelt

Wie die Abfrage von Nachhaltigkeits­präferenzen funktionieren kann

Das German Sustainability Network hat Umsetzungsvorschläge für die bald geltenden neuen Vertriebsregeln in Sachen Nachhaltigkeit erarbeitet. Um die bestehenden Unsicherheiten auszuräumen, dürfte eine Qualifizierung der Vermittler allein nicht ausreichen.

Anlageberater und Vermögensverwalter müssen ihre Kunden bereits ab August dieses Jahres zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen (Foto: © Song_about_summer - stock.adobe.com)
Anlageberater und Vermögensverwalter müssen ihre Kunden bereits ab August dieses Jahres zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen
(Foto: © Song_about_summer - stock.adobe.com)

Was passiert ab dem 2. August? Bekanntlich verankert eine neue Delegierte Verordnung der EU ab diesem Tag Nachhaltigkeitsaspekte im Versicherungsvertrieb. Unter anderem geht es um die Abfrage der kundenseitigen Nachhaltigkeitspräferenzen durch die Vermittler. Das bringt viele neue Anforderungen mit sich, insbesondere für den Beratungsprozess und die Produktentwicklung. Ein Problem wurde in den vergangenen Wochen und Monaten viel diskutiert: Es fehlt eine rechtsverbindliche Operationalisierung der regulatorischen Vorgaben. Dadurch entstehen Interpretations- und Auslegungsspielräume.

Eigene Vorschläge zur Implementierung bis 17. Juni

 

An diesem Punkt setzt nun das German Sustainability Network (GSN) an. Hinter dem selbsternannten Nachhaltigkeitsnetzwerk steht das Beratungsunternehmen Vers Leipzig, das vergangene Woche einen „Diskussionsbeitrag zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen und Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden im Kontext der IDD-Änderungsverordnung“ veröffentlicht hat. Nach eingener Aussage ist die 44-seitige Arbeit als ein möglicher Umsetzungsvorschlag zu verstehen, der als Grundlage und Ausgangspunkt weiterer Diskussionen und Implementierungsansätze dienen soll. Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge können demnach bis zum 17. Juni 2022 eingereicht werden.

Ziel: gemeinsame Vorgehensweise und einheitliches Verständnis

 

„Obwohl die IDD-Änderungsverordnung bereits in wenigen Wochen in die Praxis übersetzt sein muss, herrschen am Markt noch Unsicherheiten vor. Dies betrifft sowohl den Anwendungsbereich als auch die konkrete Umsetzung“, sagt Timo Biskop, Head of Sales der Vers Leipzig GmbH, Fokusbereichsleiter beim GSN und Autor der Diskussionspapiers. Idealerweise einige sich die Branche mittelfristig auf eine gemeinsame Vorgehensweise zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Vertrieb. Darüber hinaus sei es wichtig, dass ein einheitliches Verständnis der einschlägigen Begriffe hergestellt werde. Biskop: „Ansonsten scheitert der Diskurs bereits im Ansatz.“

Die wichtigtsten Aussagen und Empfehlungen des Papieres:

  • Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen betrifft ab dem 2. August bis auf Weiteres alle Leben-Produkte der dritten Schicht. Aber auch darüber hinaus sollten Nachhaltigkeitsziele und -wünsche des Kunden spartenübergreifend berücksichtigt werden, zumindest wenn das verfügbare Produktangebot Nachhaltigkeitsmerkmale bewirbt.

  • Der traditionelle Vertrieb und Beratungsprozess wird um eine neue Sphäre erweitert. Dabei rücken subjektive Einstellungen und Motive des Kunden in den Vordergrund, die zusätzlich zu objektiven Risikomerkmalen zu thematisieren sind.

  • Aufgrund der Komplexität des Themenfelds muss nicht nur den regulatorischen Anforderungen genügt werden. Kunden sind auch über die Hintergründe und Zusammenhänge von Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie aufzuklären, um sich sachverständig äußern zu können.

  • Die vom GSN vorgeschlagene Abfragelogik formuliert ein Mindestmaß an Fragen, das den regulatorischen Anforderungen folgt und einen spartenübergreifenden Ansatz bietet. Je nach Beratungsanlass und Kundenprofil entfallen die nicht einschlägigen Fragen. Hierdurch sollen Verhältnismäßigkeit und Stringenz des Beratungsansatzes sichergestellt werden.

  • Es entsteht die Notwendigkeit umfassender Qualifizierungsmaßnahmen für den Vertrieb. Hiervon sind wenigstens alle Versicherungsvermittler betroffen, die zu Versicherungsanlageprodukten beraten.

  • Aufgrund regulatorischer „Mismatches“ und unzureichender Datenverfügbarkeit entstehen defacto zwei Phasen der Implementierung, da (erst) ab 2023 detailliertere Informationen verfügbar und zu berücksichtigen sein werden.

  • Insbesondere bis zum 31. Dezember 2022 sind der Verlauf der Beratung und die Ergebnisse der Abfrage(n) daher umfassend zu dokumentieren, auch um Haftungsfragen zu reduzieren. Hierzu müssen bestehende Beratungsprotokolle und Geeignetheitserklärungen ergänzt werden.

  • Es wird ein kurzfristiger Dialog zwischen Fondsanbietern, Produktgebern und Vertrieben nahegelegt, um die Zuordnung verfügbarer Versicherungsprodukte zu etwaigen Nachhaltigkeitszielen, -wünschen und -präferenzen des Kunden zu fördern.

  • Am Markt bestehende oder sich entwickelnde Nachhaltigkeitsratings und/oder -siegel sind – auch vor diesem Hintergrund – kritisch zu hinterfragen und auf Anwendungsmöglichkeiten zu prüfen.

  • Insgesamt sind Auslegungshinweise und präzisere Vorgaben der Aufsichtsorgane zur bestehenden Regulatorik wünschenswert, um Entwicklungs- und Implementierungsaufwände gering zu halten.

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