Kolumne 16.04.2025 Vermittlerwelt

„KI ersetzt Menschen nicht, aber sie gibt ihnen Freiräume“

Mehr Tempo, mehr Service, mehr Innovation versus Jobverlust, Datenmissbrauch und Cyber-Kriminalität: Künstliche Intelligenz ist auch in der Assekuranz Top-Thema. In unserer KI-Kolumne PROMPT! beziehen Experten und Entscheider Stellung. Heute: Simon Moser, CEO des Berliner Startups Muffintech.

Simon Moser ist Mitgründer und CEO des Insurtechs Muffintech. Der 32-Jährige kennt die Branche schon aus der Studienzeit, wo er nebenbei als Versicherungsmakler arbeitete. In seiner Zeit als Unternehmensberater bei Capgemini und in Führungsrollen in Startups fokussierte er sich auf Innovation und Prozessoptimierung. (Foto: Muffintech)
Simon Moser ist Mitgründer und CEO des Insurtechs Muffintech. Der 32-Jährige kennt die Branche schon aus der Studienzeit, wo er nebenbei als Versicherungsmakler arbeitete. In seiner Zeit als Unternehmensberater bei Capgemini und in Führungsrollen in Startups fokussierte er sich auf Innovation und Prozessoptimierung.
(Foto: Muffintech)

Der Fachkräftemangel in der Versicherungsbranche ist längst kein drohendes Gespenst mehr. Er ist Realität. Besonders im Vertrieb schlagen die Alarmglocken: Der durchschnittliche Versicherungsvermittler in Deutschland ist heute 53 Jahre alt. Bis 2028 wird etwa jeder Dritte in den Ruhestand gehen. Schon heute ist die Branche überlastet. Regelmäßiger, persönlicher Kundenkontakt? Für viele ein Luxus. Wenn in wenigen Jahren auf jeden verbleibenden Vermittler 30 zusätzliche Kunden kommen, ist klar: So wie bisher kann es nicht weitergehen.

Kein Wunder also, dass sich die Branche mit großen Erwartungen auf künstliche Intelligenz stürzt – insbesondere auf Generative AI (GenAI). Sie wird als Lösung für viele Probleme gehandelt, nicht zuletzt für den Fachkräftemangel. KI soll entlasten, Aufgaben übernehmen, Prozesse beschleunigen – vielleicht sogar Mitarbeitende ersetzen. Die Nachfrage ist riesig, die Euphorie spürbar. 

Viele kleine Schritte in die digitale Zukunft

 

Was oft fehlt, ist das Verständnis dafür, was GenAI konkret leisten kann und wie man sie sinnvoll einführt. Man kann nicht einfach vom Faxgerät zur GenAI springen. Viele übersehen das gern. Und ja, Faxgeräte gibt es immer noch in vielen Versicherungsbüros. Zwischen analogem Alltag und digitaler Zukunft klafft eine Lücke, die nicht mit einem großen Sprung, sondern nur mit vielen kleinen Schritten überwunden werden kann.

Man kann nicht einfach vom Faxgerät zur GenAI springen. Viele übersehen das gern.

Simon Moser

 

Das beginnt bei digitalisierten Prozessen, sauberen Daten und einer Kultur, die Technologie nicht als Bedrohung, sondern als Chance begreift. Zudem ist „KI“ ein Buzzword geworden, unter dem jeder etwas anderes versteht. Für die einen ist es ChatGPT, für die anderen vollautomatisierte Dunkelverarbeitung. Die Wahrheit und der Mehrwert liegen irgendwo dazwischen.

Die KI erledigt zeitfressende Aufgaben 

 

GenAI zeigt ihr Potenzial besonders dort, wo sie repetitive Aufgaben übernimmt. Sie kann E-Mails formulieren, Marketingtexte erstellen oder Social-Media-Beiträge schreiben. Sie kann aber auch komplexere Aufgaben erledigen, etwa in Bedingungswerken recherchieren, Tarife vergleichen oder bei der Erstellung von Schadensmeldungen unterstützen. All das sind Tätigkeiten, die bisher Zeit fressen. Und genau darin liegt die Stärke: GenAI ist die erste Technologie, die in Ansätzen menschliches Denken und Handeln replizieren kann – zumindest dort, wo es strukturiert und wiederholbar ist. Sie ersetzt Menschen nicht, aber sie gibt ihnen Freiräume. Freiräume, um sich auf das zu konzentrieren, was ihnen keiner abnehmen kann: die persönliche Beratung, das Vertrauensverhältnis, das menschliche Miteinander.

Ohne Weiterbildung und Change-Management lässt sich das KI-Potenzial nicht heben

 

Wird GenAI den Fachkräftemangel also lösen? Nein, aber sie kann ihn abfedern. Sie kann dazu beitragen, dass weniger Personal mehr schafft, ohne auszubrennen. Sie kann die Effizienz steigern, Prozesse vereinfachen und die Zeit zurückgeben, die im stressigen Vermittlungsalltag längst fehlt. Aber das funktioniert nur, wenn Unternehmen bereit sind, in Technologie, Change-Management und vor allem Weiterbildung zu investieren. Denn ein großes Problem liegt darin, dass Menschen nicht oder nur mangelhaft prompten können. KI ist jedoch auf klar formulierte Anweisungen angewiesen. Mein Fazit: GenAI ist kein Allheilmittel – aber sie ist womöglich der rettende, rund um die Uhr verfügbare Assistent, den die Versicherungsbranche dringend braucht.


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