KI-Transformation: Was Europa sich nicht leisten darf
Mehr Tempo, mehr Service, mehr Innovation versus Jobverlust, Datenmissbrauch und Cyber-Kriminalität: Künstliche Intelligenz ist auch in der Assekuranz Top-Thema. In unserer KI-Kolumne PROMPT! beziehen Experten und Entscheider Stellung. Heute: Simon Moser, CEO des Berliner Startups Muffintech.

(Foto: Muffintech)
Europa will bei der Künstlichen Intelligenz ganz vorn mitspielen. Doch wenn der Kontinent den Wandel zur KI-Wirtschaft nicht schafft, drohen gravierende Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und technologische Unabhängigkeit. Die folgenden drei Entwicklungen zeigen, wo die größten Gefahren liegen:
Bisher nur eine Illusion
Europa spricht gern von digitaler Souveränität, hängt aber in Wahrheit an den großen Technologiekonzernen aus den USA und Asien. Eine Analyse von Roland Berger und der Stiftung Neue Verantwortung zeigt, dass der Kontinent bei Cloud-Infrastruktur, Basismodellen und Rechenleistung weitgehend abhängig bleibt. Wer nur fremde Lösungen nutzt, ohne selbst Teil des Innovationsnetzwerks zu werden, verliert den Anschluss. Souveränität bleibt dann eine schöne Idee, aber keine gelebte Realität.
Ohne Mut kein Fortschritt
In Deutschland fließen gerade einmal 0,088 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Start-ups, in den USA sind es rund 0,75 Prozent. Diese Zahl steht sinnbildlich für eine Kultur der Vorsicht. US-amerikanische Investoren setzen auf das Prinzip „Trial and Error“ und haben verstanden, dass Scheitern Teil des Prozesses ist. In Deutschland überwiegt dagegen die Angst, Geld zu verlieren. Diese Haltung bremst. Unternehmen, besonders in der Versicherungs- und Finanzwirtschaft, sollten sich stärker für Partnerschaften mit Start-ups öffnen. Es ist oft klüger, gemeinsam mit jungen Teams zu arbeiten, die Ideen, Tempo und technologische Tiefe mitbringen, als jede Lösung im Alleingang zu entwickeln. Gleichzeitig braucht Europa mehr Risikokapital, damit Innovation nicht schon an der Finanzierung scheitert. Ohne Mut entsteht kein Fortschritt, und ohne Fortschritt bleibt Europa Zuschauer.
Regulierung mit Bremskraft
Auch die politischen und wirtschaftlichen Strukturen tragen ihren Teil dazu bei, dass Innovation stockt. Strenge Regulierung und kleinteilige Auflagen sind gut gemeint, wirken aber auch häufig wie eine Bremse. Viele Start-ups verbringen mehr Zeit mit juristischen Prüfungen als mit der Entwicklung ihrer Produkte. Hinzu kommen diverse nationale Interessen, die eine europäische Skalierung erschweren. Europa braucht eine andere Haltung, eine Kultur, die Fehler nicht bestraft, sondern als Teil des Lernprozesses versteht. Der Gedanke, schnell zu scheitern und ebenso schnell zu lernen, ist kein Hype aus dem Silicon Valley, sondern eine Grundvoraussetzung für Innovation.
Fazit für die Praxis
Wer Verantwortung trägt, sollte weniger zögern und mehr gestalten. Versicherer und Finanzdienstleister müssen den Mut haben, Allianzen mit Start-ups zu schließen, Wissen zu teilen und gemeinsam neue Technologien zu entwickeln. Auch Investoren sollten früher einsteigen und bewusst Risiken eingehen. Und die Politik muss endlich Bedingungen schaffen, die Innovation fördern, statt sie durch Bürokratie zu lähmen. Europa hat Talente, Forschung und Kapital. Was fehlt, ist der Wille, all das entschlossen zu nutzen.
Wenn wir aber Partnerschaften wagen, Kapital freisetzen und Fehler als Teil des Weges zum Erfolg begreifen, kann dieser Kontinent mehr als nur aufholen. Dann hat Europa die Chance, bei der Künstlichen Intelligenz nicht Nachzügler, sondern Gestalter zu sein.
Weitere Artikel
„Zur Abwehr von Cyberangriffen mehr KI-Tools einsetzen“
Maklerbetreuung neu gedacht