22.04.2024 Recht | Ratgeber

Prämienanpassung: BGH begrenzt Versichertenrechte

Private Krankenversicherer müssen Prämienerhöhungen ausführlich begründen. Eine vollständige Offenlegung der Kalkulation können Versicherte aber nicht verlangen, entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, was das Urteil für PKV-Kunden bedeutet.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com). (Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
(Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

Die Ausgangslage.

In der privaten Krankenversicherung (PKV) dürfen Versicherer (VR) Prämien erst nach Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders erhöhen. Dieser prüft auch, ob der VR eingeplante Mittel zur Begrenzung von Prämienerhöhungen nutzt. Dürfen Gerichte diese Maßnahmen des VR im Zweifel kontrollieren? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem Fall entschieden, bei dem es um die Axa ging.


Der Fall.

Die Axa erhöhte in den Jahren 2012, 2015 und 2016 die PKV-Beiträge seines Versicherungsnehmers (VN). Wechselnde Treuhänder hatten den Erhöhungen zugestimmt. Dagegen wehrte sich der VN und verlangte Rückerstattung der Erhöhungsbeiträge. Die Beitragserhöhungen seien rechtswidrig. Insbesondere seien die dafür eingeplanten Mittel nicht richtig eingesetzt worden. Außerdem habe kein Limitierungskonzept vorgelegen. Der VR müsse ihn genauer informieren. Es kam zum Streit.

Der Rechtsstreit.

Das LG Berlin (Az. 23 O 144/17) und das KG Berlin (Az. 6 U 88/18) gaben dem VN nach Einholung eines versicherungsmathematischen Gutachtens recht. Prämienanpassungen unterlägen der umfassenden Überprüfung durch die Zivilgerichte (BVerfG 1 BvR 2203/98). Der VR habe die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Mittelverwendung im Rahmen der Limitierungsmaßnahmen darzulegen und zu beweisen. Es komme dabei nicht darauf an, ob und in welchem Maße sich ein Fehler zum Nachteil des VN ausgewirkt habe. Ohne Beweis sei die Prämienanpassung insgesamt unwirksam.

Das Urteil.

Das sah der BGH komplett anders (Az. IV ZR 68/22). Es erfolge keine vollständige gerichtliche Kontrolle von Begrenzungsmaßnahmen, insbesondere der Motive des VR. Der VN werde durch die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung des Treuhänders ausreichend geschützt. Daher trage er die Beweislast dafür, dass er bei der Mittelverwendung benachteiligt wurde. Der VR müsse lediglich offenlegen, welche Parameter seiner Prämienkalkulation zugrunde lagen. Eine gerichtliche Prüfung sei nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die schutzwürdigen Interessen des VN notwendig.

Der Ausblick.

Der BGH unterstreicht die Schutzfunktion des Treuhänders. Stimmt er zu, muss der VN mutmaßlich fehlerhafte Prämienberechnungen beweisen. Die dafür erforderliche gutachterliche Nachkalkulation ist aber sehr aufwendig. So muss sie etwa den strengen Anforderungen des § 155 VAG entsprechen. PKV-Kunden dürften es daher künftig schwerer haben, Prämienerhöhungen abzuwehren.


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