Versicherer fordern den Naturgefahrenausweis
Der GDV schlägt für jedes Gebäude einen Naturgefahrenausweis vor, der einen Überblick über die ortsgenauen Naturgefahren bieten soll. In einem neuen Positionspapier werden auch die Einführung eines bundesweiten Naturgefahrenportals und Änderungen des Baurechts gefordert.
Schon im Oktober 2021, nach der Flutkatastrophe im Ahrtal, hatte die Versicherungsbranche ein Gesamtkonzept zur Klimafolgenanpassung vorgelegt. Rund ein Jahr später hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nun ein neues Positionspapier vorgelegt. Darin wird Punkt 1 des Gesamtkonzepts („Verbindliche Schritte zur Klimafolgenanpassung“) konkretisiert.
Naturgefahrenausweis für Gebäude soll kommen
Zentrale Forderung der Versicherer ist die Einführung eines Naturgefahrenausweis nach dem Vorbild des Energieausweises, mit dem der Gesetzgeber transparente Kennziffern für die Energieeffizienz von Gebäuden geschaffen hat. Das neue Zertifikat soll Kennziffern für die Schadenanfälligkeit von Gebäuden gegenüber Naturgefahren und eine Übersicht über alle verfügbaren ortsgenauen Informationen zu Naturgefahren liefern. Ebenso soll es Gefahren wie Überschwemmungen durch Starkregen, Kanalrückstau, Hochwasser, Erdsenkung oder Erdbeben sichtbar machen und bewerten. Mit dem Naturgefahrenausweis hätten Hauseigentümer, Mieter, Kaufinteressenten, Handwerker, Versicherer oder Banken eine objektive Beurteilungs- und Entscheidungsbasis.
Mehr Transparenz durch bundesweites Naturgefahrenportal
Ein weiterer Schritt ist die Einführung eines bundesweiten Naturgefahrenportals. Es soll dazu beitragen, sich der eigenen Gefährdung bewusst zu werden – und somit Menschenleben und Sachwerte zu schützen. Gleichzeitig schaffe es eine Grundlage für Veränderungen bei Planung, Neubau und Sanierung. „Primäre Zielgruppe des Portals ist die breite Bevölkerung, nicht die Verwaltung, nicht Expertenkreise“, schreibt der Verband. Das Portal soll aus öffentlichen Quellen gespeist werden –und „eine tragfähige Grundlage für die Gefahreneinschätzung sowie für Maßnahmen der Klimafolgenanpassung und Prävention herstellen“. Entsprechend sollen die Informationen allgemeinverständlich aufbereitet und leicht zugänglich präsentiert werden, so der GDV.
Bauen in Gefahrengebieten bundeseinheitlich regeln
Eine weitere Forderung betrifft die Bauvorgaben und -genehmigungen. Bisher werden diese stark von der regionalen Ebene bestimmt, wobei die Bundesländer neben dem Bund entscheidende Befugnisse haben. Dabei spielen auch Interessenskonflikte eine Rolle: ungern verzichtet zum Beispiel eine strukturschwache Region auf Steuereinnahmen, selbst wenn durch Bauten in gefährdeten Gebieten Risiken für Mensch und Sachen entstehen. Hier fordert der GDV, zumindest das Bauen in Gefahrengebieten bundeseinheitlich zu regeln – mit der logischen Konsequenz, dass die Bundesländer künftig weniger stark mitreden dürfen, wenn es um die Genehmigung derartiger Vorhaben geht.
Politik setzt statt auf GDV-Themen auf die Pflichtversicherung
„Versicherungsschutz ist wichtig, reicht aber allein nicht aus, um unsere Gesellschaft vor wachsenden Naturkatastrophen zu schützen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Wir brauchen darüber hinaus Aufklärung über die Gefahren durch Elementarrisiken und verbindliche Präventionsmaßnahmen auf privater und staatlicher Ebene.“ Doch diese Themen scheinen in der Politik bisher noch nicht oben auf der Agenda zu stehen. Stattdessen wird die Bundesregierung voraussichtlich bis Dezember die Einführung einer Pflichtversicherung prüfen, die der GDV ablehnt. Die Lobbyisten bevorzugen ein Opt-Out-Modell. Da die Bundesländer sich bereits für die Pflichtversicherung ausgesprochen hatten, dürfte diese aber allen Anstrengungen des GDV zum Trotz bald kommen.