20.03.2024 Digital

Wie Künstliche Intelligenz die Kreditprüfung revolutioniert

Automatisierter Bonitätscheck, superschnelle Kreditzusage, transparente Methodik: KI krempelt die Prozesse im Finanzwesen künftig ordentlich um. Zwei innovative Unternehmen aus der Kreditbranche sind ganz vorn dabei – und beeindrucken mit enormen Effizienzsteigerungen.

Künstliche Gehirne können in Sekundenschnelle verlässliche Angaben über die Bonität eines Unternehmens machen.
Künstliche Gehirne können in Sekundenschnelle verlässliche Angaben über die Bonität eines Unternehmens machen.

„Künstliche Intelligenz“ (KI) sorgt immer wieder für viel Aufmerksamkeit und macht Schlagzeilen. Sei es durch gefährliche Deepfake-Aktionen oder durch fehlgeleitete Anwendungen wie zuletzt beim Bilderdienst Gemini von Google. Dessen KI erschuf quasi zwanghaft multikulturelle Menschen – auch dort, wo es überhaupt nicht passte: Zu den kuriosesten Kreationen der digitalen Bilderfabrik zählten etwa Wehrmachtssoldaten, die aussahen wie asiatische Frauen oder dunkelhäutige Wikinger mit Dreadlocks. Wer „erstelle das Bild eines Papstes“ eintippte, bekam als Ergebnis eine dunkelhäutige Frau oder einen schwarzen Mann zu sehen.

Kontobewegungen als Datenbasis



In der Finanzwelt, wo es meist um schnöde Zahlen geht, ist die Verwendung von KI weniger aufsehenerregend. Aber auch hier schaffen intelligente und selbstlernende Anwendungen ganz neue Möglichkeiten. Das gilt insbesondere da, wo standardisierte Prozesse auf riesige Datenmengen treffen. Beispiel: Bonitätsprüfung. Mittels schlauer Algorithmen und leistungsstarker Rechner können viel mehr Geschäftsfälle bearbeitet werden als auf manuellem Wege.
Ein Vorreiter ist hier die Banca AideXa, spezialisiert auf Mittelstandsfinanzierung. Das italienische Fintec nutzt KI für seine Bonitätsprüfungen. Anders als etwa bei der Schufa, nutzt das System ausschließlich konventionelle Kundendaten mittels Open-Banking-Schnittstellen. Dafür muss der Kreditnehmer allerdings „die Hosen runter lassen“. Bedeutet: Die Kunden müssen der Banca AideXa vollständigen Einblick in ihre Geschäftskontobewegungen gewähren, so das Unternehmen. Doch die Freizügigkeit zahlt sich aus: „Statt uns auf Kennziffern aus Geschäftsberichten zu beschränken, können wir tausende Datenpunkte als Entscheidungsgrundlage für jeden Kreditantrag verwenden“, erklärt Matteo Camelia, Head of Data Science der Banca AideXa: „Dadurch umgehen wir den Flaschenhals, mit dem sich traditionelle Finanzierer bei der KMU-Kreditvergabe konfrontiert sehen.“

 

Kreditzusage innerhalb von 20 Minuten



Die Performance der KI-Methodik ist enorm. Laut AideXa lässt sich die Kreditwürdigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) innerhalb von nur 20 Minuten bewerten. Bei einem positiven Bescheid überweise die Bank das Geld innerhalb von 48 Stunden. Die Entscheidungsqualität der Analysemodelle sei hoch, die Ausfallquote liege bei nur 3,4 Prozent. „Ein verschwindend geringer Wert im Vergleich zu Finanzinstituten, die die Kreditvergabe auf traditionelle Weise entscheiden“, so Matteo Camelia. Der Unternehmenschef betont zudem die Transparenz des Verfahrens. „Unsere Modelle sind keine Black Box. Wir können die Entscheidungen bei Bedarf stets nachvollziehen und dann gegenüber Klienten begründen, warum es zu einer Absage kam.“


Kreditversicherer vertraut auf KI-Prognosen

 

Auf KI-gestützte Bonitätsprüfung setzt auch der Kreditversicherer Atradius. Das Hamburger Unternehmen arbeitet seit mehr als 25 Jahren mit automatisierten Tools zur Risiko-Analyse von Geschäftsberichten, Kreditberichten, Ratings oder Bilanzen und nutzt seit 2020 auch neuronale Netze. Offenbar mit großem Erfolg: In den vergangenen vier Jahren habe man durch die Verwendung von KI-Analysen bereits Schäden in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe vermieden, erklärt das Unternehmen. „Drei von vier Entscheidungen, ob Atradius das Ausfallrisiko von Forderungen übernimmt, trifft mittlerweile unsere KI aufgrund der von uns festgelegten Parameter“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services Germany, Central and East Europe. Er nennt auch gleich ein Bespiel. „Bei einem Autoreifenhändler prognostizierte unser Algorithmus Temenos XAI ein Schadenrisiko von mehr als 80 Prozent. Die Folge: Das Risiko wurde abgelehnt. Wenige Monate später wurde das Insolvenzverfahren des Autoreifenhändlers eingeleitet.“
Die KI-gestützte Schuldneranalyse spart aber vor allem eins: Zeit. So konnten die Risikoprüfer in der Vergangenheit nur etwa wenige Tausend Geschäftsberichte im Jahr lesen, jetzt analysiere die KI mehr als 100.000, erklärt Atradius.

Wissen, was KI kann – und was nicht



Michael Karrenberg ist überzeugt, dass die KI in Zukunft eine immer größere Rolle spielen wird. Um die Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz zu erhöhen, müsse sie transparenter und erklärbarer werden. „Die größte Gefahr für uns als Gesellschaft ist eine gute KI in den falschen Händen“, sagt der Top-Manager. Dass der Mensch irgendwann verzichtbar wird, glaubt Karrenberg nicht: „Man wird immer Analysten, Underwriter und jemanden, der das Kapital hat, um die Schäden abzudecken, benötigen.“  Auch beim italienischen Fintec hält man „Manpower“ weiterhin für unverzichtbar.  „Menschen können auf Menschen nach wie vor besser eingehen. Das Tandem aus Mensch und Maschine ist der Schlüssel zum Erfolg“, so Firmenchef Matteo Camelia.


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