Bei Prämienerhöhungen zählt immer der Einzelfall
Zankapfel Prämienanpassung: Regelmäßig müssen Gerichte entscheiden, ob und wann diese zulässig sind. Der BGH hat in einem aktuellen Urteil noch mal die grundsätzliche Linie vorgegeben. VP-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, was das für Versicherte bedeutet.
Der Fall.
Der Versicherungsnehmer (VN) hat eine Krankheitskostenversicherung. Der Versicherer (VR) erhöhte 2013 die Versicherungsbeiträge und dann zwischen 2016 und 2019 jährlich. Die Erhöhungen ab 2018 begründete der VR u. a. damit, dass die Ausgaben fünf Prozent der ursprünglich errechneten Werte überschreiten und ein gesetzlicher Treuhänder der Erhöhung zugestimmt hat. Er müsse auch die gestiegene Lebenserwartung und niedrige Zinsen berücksichtigen. Der VN hielt hingegen sämtliche Beitragserhöhungen für unrechtmäßig und verlangte eine Rückzahlung der zu viel gezahlten Prämien. Es kam zum Streit.
Der Rechtsstreit.
Das Landgericht Kempten gab der Klage des VN statt (Az. 32 O 1438/21). Das Oberlandesgericht München erklärte dagegen die Erhöhungen der Jahre 2018 und 2019 für wirksam (Az. 14 U 870/22). Diese seien hinreichend begründet. Der Versicherer habe angegeben, dass die Beitragserhöhung auf Basis einer veränderten Rechnungsgrundlage und durch Leistungsausgaben oberhalb eines Schwellenwerts aufgrund gesetzlicher Regelungen erfolgen müsse. Da aber das Oberlandesgericht Köln (Az. 20 U 149/21) in einem ähnlichen Fall nach Prüfung der formellen und rechtlichen Wirksamkeit der dortigen Mitteilung des VR anders entschieden habe, müsse nun der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung treffen, so die Münchner Richter. Entweder liege man selbst oder das Kölner OLG falsch.
Das Urteil.
Das sah der BGH anders (Az. IV ZR 253/20). Die Begründung der Beitragserhöhungen ab 2018 entsprechen demnach den Anforderungen aus § 203 VVG. Entscheidend ist, ob eine nicht nur vorübergehende Veränderung der tatsächlich notwendigen Versicherungsleistungen gegenüber den ursprünglich kalkulierten Zahlen vorliegt – bzw. die Sterbewahrscheinlichkeiten die gesetzlichen oder vereinbarten Schwellenwerte überschreitet. Dies muss der Versicherer zur Begründung seiner Beitragserhöhung ausdrücklich mitteilen. Das war hier der Fall. Dass die Kölner OLG-Richter etwas anderes entschieden haben, sei für den Fall vor dem OLG München irrelevant.
Der Ausblick.
Der BGH hält an seiner Rechtsprechung fest. Es bleibt bei den Grundsätzen aus Az. IV ZR 294/19. Er weist aber darauf hin, dass die Frage, ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 VVG genügt, vom Gericht im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden ist. Hier kommt es auf den konkreten Inhalt der Begründung an. Weicht die Begründung verschiedener Gerichte ohne Rechtsfehler nur aufgrund anderer Inhalte ab, hat das aus Sicht des BGH keine Bedeutung.