08.04.2024 Recht | Ratgeber

Falsch verhalten – trotzdem versichert

Wenn der Versicherungsnehmer einen Obliegenheitsverstoß begeht, riskiert er seinen Versicherungsschutz – vorausgesetzt, der Versicherer hat sein Kürzungsrecht wirksam geregelt. In einem aktuellen Rechtsstreit um gestohlene E-Bikes war das jedoch nicht der Fall. Die VP-Rechtsexperten Schyma und Mallmann erklären, inwiefern der Versicherte davon profitierte.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Für die Besitzerin zweier E-Bikes endete ein Radtouren-Wochenende unglücklich: Unbekannte entwendeten die teuren Elektroräder nachts vom Campingplatz und verschwanden spurlos. Die Betroffene hatte für diesen Fall eine spezielle Vollkaskoversicherung für E-Bikes abgeschlossen und wandte sich an ihren Vertragspartner – in der Hoffnung, den Schaden ersetzt zu bekommen.


Der Rechtsstreit.

Der Versicherer berief sich jedoch auf Leistungsfreiheit. Begründung: Die Versicherungsnehmerin habe eine Obliegenheit verletzt, weil sie die E-Bikes nicht – wie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) vorgeschrieben – an einem festen Gegenstand (z.B. Laternenpfahl, Baum) angeschlossen habe. Die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen regelten, dass Obliegenheitsverstöße „je nach Art der Pflichtverletzung zum gesamten oder teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führen“.

Die Entscheidung.

Gegen die Entscheidung des Versicherers zog die Versicherungsnehmerin vor Gericht – und bekam recht: Das Oberlandesgericht Hamm befand, dass der Versicherer nicht leistungsfrei sei (Az. 20 U 306/22). Zwar habe die Versicherungsnehmerin unzweifelhaft ihre Obliegenheit verletzt, da sie die Räder nicht ordnungsgemäß abgeschlossen hatte. Die Regelung zu den Folgen von Obliegenheitsverstößen sei aber unwirksam.

Die Begründung.

Der Versicherer habe hier nicht – wie das Versicherungsvertragsgesetz es vorschreibt – zwischen Verschuldensgraden wie Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden, sondern lediglich nach „Art der Pflichtverletzung“. Die Art der Pflichtverletzung könne indes nicht mit dem Grad des Verschuldens gleichgesetzt werden. Hinzu komme, dass diese Regelung dem Versicherungsnehmer keine Möglichkeit lasse, sich mit dem Einwand zu verteidigen, dass die eigene Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Schaden hatte. Der hier entscheidende juristische Fachbegriff lautet „Kausalitätsgegenbeweis“.

Die Bewertung.

Versicherer müssen ihre Kunden über die Folgen von Vertragsverletzungen transparent und umfassend informieren. Sanktionen dürfen dabei nicht strenger sein, als es das Gesetz vorsieht. Steht der Vorwurf eines Obliegenheitsverstoßes im Raum, sollten Versicherte also nicht nur einen genauen Blick auf die Regelung zur Obliegenheit werfen, sondern auch auf die Regelung zu den Rechtsfolgen eines Obliegenheitsverstoßes.


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