19.06.2025 Recht | Ratgeber

Nach falscher Auskunft: Versicherter geht leer aus
 

Müssen sich Versicherte grundsätzlich auf die Zusagen ihres Versicherungsvertreters verlassen können? Das Landgericht Saarbrücken urteilte: „Ja“. Doch das letzte Wort war hier noch nicht gesprochen. Die FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experten Jem Schyma und Raimund Mallmann erklären, warum das Urteil kassiert wurde – und weshalb Versicherte künftig dennoch gute Karten haben könnten.

Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Ein Mann fuhr mit seinem BMW im Rahmen einer Touristenfahrt auf dem Nürburgring. Privatpersonen dürfen die Rennstrecke bei dieser Gelegenheit als öffentliche Straße nutzen – und ihre Autos mal durch die berühmte Nordschleife jagen. Doch in einer Kurve kam der BMW von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Totalschaden. Das Auto war über den Vater des Fahrers vollkaskoversichert.
Kurz nach dem Unfall fragte der Vater seinen Versicherungsvertreter per Mail, ob Versicherungsschutz auch für solche Touristenfahrten bestehe. Der Vertreter antwortete knapp: „Ja, ist versichert.“ Nach Eingang der Schadenmeldung teilte er zudem mit, dass die Bearbeitung angestoßen sei und eine Abrechnung des Schadens erfolge, sobald sämtliche Unterlagen vorlägen.
Der Kasko-Versicherer lehnte die Deckung jedoch ab. Gemäß Versicherungsbedingungen bestehe kein Versicherungsschutz für „Fahrten auf Motorstrecken, auch wenn es nicht auf Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt.“

Das Urteil.

Das Landgericht Saarbrücken wertete die Aussage des Vermittlers als verbindliche Zusage dafür, dass Versicherungsschutz für die Touristenfahrt trotz anderslautender Vertragsbedingungen bestehe (deklaratorisches Schuldanerkenntnis). Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Az. 5 U 119/23) hob diese Entscheidung auf. Auskünfte eines Versicherungsvertreters seien im Regelfall – wie hier – keine bindenden Erklärungen über die Eintrittspflicht des Versicherers. Die Voraussetzungen für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis lägen nicht vor, da zum Zeitpunkt der Aussage des Versicherungsvertreters mangels offizieller Schadenmeldung noch kein Streit über den Versicherungsanspruch bestand. Auch die E-Mail des Vermittlers mit der Auskunft über den Bearbeitungsstand sei kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Er habe deutlich gemacht, dass nicht er, sondern eine andere Mitarbeiterin des Versicherers über die Regulierung des Schadens entscheide.

Die Bewertung.

Versicherer müssen sich die Aussagen und Handlungen ihrer Versicherungsvertreter als Erfüllungsgehilfen grundsätzlich zurechnen lassen. Vorschnelle Aussagen dürfen Versicherte dennoch nicht für bare Münze nehmen – zumindest sofern sie sich nicht bereits im Streit über den Versicherungsanspruch befinden.
Was die Gerichte derzeit noch verkennen: Seit 2018 gilt der neue § 1a VVG, nach dem Versicherer und ihre Vertreter in Vertrieb und Schadenregulierung stets ehrlich und redlich sein müssen. Auf ihre Aussagen müssen sich Versicherungsnehmer verlassen dürfen. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt also abzuwarten.


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