Flut-Bilanz: Ein Viertel der Schäden immer noch nicht reguliert
Ist das nun ein gutes oder schlechtes Ergebnis? Ein Jahr nach Flutkatastrophe sind fünf der 8,5 Milliarden Euro an versicherten Schäden ausgezahlt. Die Kritik betroffener Kunden an der Versicherungswirtschaft ist groß. Der GDV indes lobt die Arbeit der Branche. Für die Zukunft müsse mehr in Sachen Prävention getan werden.
Ein Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist noch über ein Viertel der Versicherungsfälle offen. Insgesamt haben die Versicherer fünf der 8,5 Milliarden Euro Gesamtschäden ausgezahlt, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft mitteilt. Das ist ohnehin nur ein geringer Teil des Gesamtschadens, der sich nach Einschätzung von Experten von Beginn des Jahres auf mindestens 33 Milliarden Euro beläuft.
GDV-Sicht vs. Erfahrungen der Versicherungskunden
„Für die Schadenregulierung ziehen wir insgesamt eine positive Bilanz, doch jetzt hängt die Regulierung am Tempo des Wiederaufbaus“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. In den noch offenen Fällen haben Versicherte vielfach große Teile des Schadens bereits ersetzt bekommen. „So gut wie jeder Hausbesitzer, der versichert war, hat schnell Geld von seiner Versicherung erhalten“, so Asmussen. Das in so vielen Fällen Wiederaufbau und Instandsetzung noch andauern, habe häufig mit fehlendem Material und Engpässen bei Handwerkern zu tun.
Tatsächlich reißt aber die Kritik an der Versicherungswirtschaft nicht ab. Viele Betroffene dürften eine ganze andere Sicht auf die Schadenbearbeitung haben, zumal sie auch von anderen Schwierigkeiten berichten als der GDV. Dabei geht es um den Streit um Gutachten oder die Frage, ob Mängel wie Einsturzgefahr, Wertverlust und Ölverseuchung vollständig übernommen werden. Zahlreiche Fälle von Elementarschadenversicherten, die öffentlich bekundeten, sich betrogen zu fühlen, sind medienwirksam dokumentiert.
Neue Dimensionen in der Schadenbearbeitung
Den GDV ficht das naturgemäß nicht an. Der Branchenverband spricht lieber über die enormen Herausforderungen für seine Unternehmen, was sich dann aber doch ein bisschen wie eine Rechtfertigung für die Probleme bei der Schadenregulierung liest: So verzeichneten die Versicherer insgesamt 213.000 Schadenfälle, davon 40.000 beschädigte Kfz, 54.000 Versicherungsfälle in der Hausratversicherung, 91.000 beschädigte Wohngebäude und 28.000 Firmen, die durch die starken Regenfälle ab dem 14. Juli 2021 Sachschäden und Betriebsunterbrechungen meldeten. In den Katastrophengebieten mussten über 2000 Einfamilienhäuser mit versicherten Schäden jenseits von 100.000 Euro wieder in Stand gesetzt werden. Im Kreis Ahrweiler lag der Durchschnittsschaden bei 210.000 Euro pro Wohngebäude. Das ist laut GDV der höchste jemals gemessene Schadendurchschnitt bei Wohngebäuden.
„Die Hochwasserkatastrophe war auch für uns Versicherer eine enorme Herausforderung“, sagt Sabine Krummenerl, Vorsitzende des GDV-Ausschusses Privatkunden. „Wir hatten gleich in den ersten Wochen aus ganz Deutschland 16.000 interne und rund 2500 externe Kräfte wie Gutachter im Einsatz und konnten so schnell helfen: finanziell, psychologisch und praktisch. Die Hochwasserkatastrophe hat für besonders viele, besonders teure und besonders komplexe Schäden gesorgt.“
Pflichtversicherung für Elementarschäden wird wohl kommen
Als Konsequenz der Hochwasserkatastrophe dürfte nun die Pflichtversicherung für Elementarschäden kommen. Sie ist politisch gewollt und wird von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Hier dürfte der GDV, der sich gegen so eine Versicherungspflicht ausspricht, eine Niederlage kassieren, auch wenn Asmussen größere Anstrengungen zur Schadenvermeidung fordert und sagt: „Eine Pflichtversicherung allein verhindert keinen Schaden. Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung vernachlässigen, wird der Klimawandel eine Spirale aus steigenden Schäden und steigenden Prämien in Gang setzen.“ Das GDV-eigene Konzept schlägt neben einer Ergänzung aller Gebäudeversicherungsverträge mit der sogenannten Elementarschadenversicherung Neubauverbote in hochwassergefährdeten Lagen, bessere bauliche Anpassungen und weniger Versiegelung vor.