Unfallgegner verlangt mehr Geld – zu Recht?
Ein Kfz-Versicherer muss dem Geschädigten Schadensersatz zahlen. Doch gilt das auch, wenn die entstandenen Ausfallkosten am Ende höher sind als die eigentliche Schadenssumme? VP-Rechtsexperte Norman Wirth bespricht ein hochinteressantes und wegweisendes OLG-Urteil zum Thema.
Der Fall.
Ein Autofahrer wurde am 30. Oktober 2017 in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem ihm der Unfallgegner unstreitig die Vorfahrt genommen hatte. Der Zeitwert seines Fahrzeugs reduzierte sich durch den Unfall von 19.800 auf nur noch 3460 Euro. Der Geschädigte fand ein Auto zu dem ermittelten Wert und schloss eine mündliche Vereinbarung über dessen Kauf. Die Versicherung regulierte den Schaden im Dezember 2017, überwies aber lediglich 11.440 Euro. Der Autofahrer zog daraufhin vor Gericht und verlangte vom Versicherer des Unfallgegners die Differenz zur gutachterlich festgestellten Schadenssumme und darüber hinaus auch die ihm für die Finanzierung seines neuen Autos inzwischen entstandenen Kosten.
Das Urteil.
Das Landgericht sprach dem Kläger auf Basis eines eigenen Gutachtens einen weiteren Schadensersatzbetrag in Höhe von 2100 Euro zu. Den Ersatz der Finanzierungskosten verweigerte das Gericht jedoch. Der Kläger habe der Versicherung weder die Gelegenheit gegeben, den Schaden durch eine Vorschusszahlung zu minimieren, noch habe er sie ausdrücklich über die beabsichtigte Darlehensaufnahme informiert.
In der Berufungsverhandlung bewilligte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: 1 U 294/19) dem Kläger schließlich doch die Finanzierungskosten. Der Hinweis, dass der Kläger für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs auf die Schadenssumme angewiesen sei und er schon eine mündliche Vereinbarung über den Kauf eines solchen getroffen habe und ohne die Zahlung weitere Kosten – z.B. Mietwagenkosten und Nutzungsausfall – entstehen könnten, reiche völlig aus, so die Begründung des OLG. Dass ihm keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, gehe aus seinem Hinweis ohne Weiteres hervor. Eine erforderliche Darlehensaufnahme habe damit im Raum gestanden, ohne dass es eines weiteren Hinweises bedurft hätte.
Das Fazit.
Das Urteil des OLG Düsseldorf bewegt sich konsequent auf der bereits seit Längerem vorgegebenen Linie des Bundesgerichtshofs. Wenn ein Geschädigter keine ausreichenden Eigenmittel hat und den eintrittspflichtigen Versicherer bei der Schadensmeldung darauf hinweist, kann er auch verlangen, dass alle Schäden ersetzt werden – insbesondere jene, die durch eine verzögerte Regulierung des Versicherers entstanden sind. Dazu zählen Kosten für eine nicht geplante Darlehensaufnahme, aber auch zusätzliche Mietwagenkosten sowie Nutzungsausfallentschädigungen für die Dauer bis zur Schadensregulierung. Das gilt selbst dann, wenn diese insgesamt über den Fahrzeugwert hinausgehen (Az. VI ZR 112/04).