Hirnschädigung durch Muttermilch kein Versicherungsfall
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Berufung eines Mannes auf Zahlung von 50.000 Euro gegen den Anbieter seiner Dread-Disease-Versicherung zurückgewiesen. Demnach ist ein neurologischer Hirnschaden bei einem Baby im Zuge einer Impfung der stillenden Mutter keine Kopfverletzung und damit kein Leistungsfall.
Eine Dread-Disease-Versicherung ist auch als Schwere-Krankheiten-Versicherung bekannt. Trotz ihrer eher geringen Verbreitung gilt sie als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung. Wann die Police greift und wann nicht, zeigt exemplarisch ein kürzlich ergangener Hinweisbeschluss des Nürnberger Oberlandesgerichts (Az. 8 U 91/21).
Impfung löst über Muttermilch schwere Gesundheitsschäden aus
Der Kläger hatte eine fondsgebundene Lebensversicherung mit zusätzlicher Dread-Disease-Versicherung abgeschlossen. Der Versicherungsschutz erstreckte sich auch auf seine Kinder. Im Fall einer schweren Krankheit sollten diese 50 Prozent der vereinbarten Versicherungssumme von 100.000 Euro erhalten. Die Ehefrau des Versicherungsnehmers erhielt 2009 eine Influenza-Impfung mit dem Präparat „Pandemrix“. Zu dieser Zeit stillte die Frau noch die wenige Monate zuvor geborene Tochter des Paares. Das Mädchen litt in der Folge an Narkolepsie sowie an Kataplexie (Muskelversagen) und Halluzinationen.
Nach Auffassung des Versicherungsnehmers war hierfür der Impfstoff verantwortlich. Zwar war eine Narkolepsie nicht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) aufgeführt, jedoch argumentierte er, dass eine „schwere Kopfverletzung“ vorliege. Die Versicherung verweigerte jedoch die Auszahlung der 50.000 Euro. Aus ihrer Sicht lag kein Versicherungsfall vor. Nachdem die Klage des Mannes vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gescheitert war, nahm sich das Oberlandesgericht Nürnberg des Falles an. Auch hier sahen die Richter die Versicherung nicht in der Leistungspflicht. Um ihm als Kläger hohe Gerichtskosten zu ersparen, empfahl das Gericht dem Familienvater, seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuziehen.
OLG sieht keine Kopfverletzung
Zur Begründung hieß es, es sei für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei der Lektüre der besagten Klausel ersichtlich, dass es nicht allein auf den dauerhaften neurologischen Befund einer irreversiblen Hirnschädigung ankomme. Entscheidend sei vielmehr, woher diese Erkrankung rühre. Die Versicherungsbedingungen sprächen hier von einer Kopfverletzung. Konkret heißt es dazu in den AVB: „Eine durch Kopfverletzung herbeigeführte irreversible Schädigung des Gehirns mit dauerhaften neurologischen Ausfällen (z.B. Hörstörungen, Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Sprechstörungen, Schluckstörungen, Lähmungen, Gehstörungen, Krampfanfällen) oder gravierenden Beeinträchtigungen der intellektuellen Fähigkeiten (z.B. Merkfähigkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen u.a.).“
Gericht definiert Anforderungen an Leistungsfall
Eine solche Kopfverletzung setzt laut Gericht eine physische Einwirkung von außen voraus, zum Beispiel durch mechanische Gewalt (Schlag, Stoß, Aufprall), thermische Energie (Verbrennungen) oder chemische Einwirkung (Säure). „Gesundheitliche Beeinträchtigungen ohne derartige Einwirkungen (z. B. angeborene Leiden, Tumorbildung, Altersdemenz) bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch hingegen nicht als Verletzung, sondern schlicht als Erkrankung“, stellten die Richter fest. Die Aufnahme von Nahrung könne folglich nicht als Kopfverletzung gewertet werden – dies gelte auch für die Aufnahme von Muttermilch durch einen stillenden Säugling. Sollten über diesen Weg nervenschädigende Stoffe in den Körper des Kindes gelangt sein, falle das folglich nicht unter den Versicherungsschutz.