Ombudsfrau: So viele Beschwerden wie noch nie
Ex-Verfassungsrichterin Sibylle Kessal-Wulf legt ihren ersten Jahresbericht als Chefin der Verbraucherschlichtungsstelle für Versicherungen vor. Die Zahl der Beschwerden erreicht neuen Höchststand – und alle Sparten sind betroffen.

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Fast 20 Prozent mehr Beschwerden als im Vorjahr: Das ist die Jahresbilanz 2024, die die Ombudsfrau für Versicherungen, Dr. Sibylle Kessal-Wulf, gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Vereins Versicherungsombudsmann, Constantin Graf von Rex, vorgestellt hat. Die Verbraucherschlichtungsstelle behandelt Fälle aus allen Versicherungssparten. Lediglich die Private Kranken- und Pflegeversicherung hat einen eigenen Schlichter. Die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht erklärte, die Schlichtungsstelle hätten 2024 so viele Beschwerdevorgänge wie noch nie seit Gründung des Vereins im Jahr 2001 erreicht. Die Zunahme betraf fast alle Versicherungssparten. Starke prozentuale Zuwächse hatte bei den zulässigen Beschwerden vor allem die Kfz-Versicherung mit ihren Teilsparten Haftpflicht und Kasko. Mehr zulässige Beschwerden gab es auch in der Gebäudeversicherung und den „sonstigen Versicherungen“ (u. a. Elektronik-, Tierkranken- und Reiseversicherung). Bei den Eingängen in absoluten Zahlen führend waren ebenfalls die Kfz-Versicherungen, gefolgt von den Sparten Rechtsschutz und Leben. „Die Schlichtung hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Für Versicherungsnehmer ist sie eine gute Möglichkeit, kostenfrei und letztlich ohne Risiko Streitfälle beizulegen. Etwa 80 Prozent unserer Fälle liegen unter einem Streitwert von 5.000 Euro", sagt die Ombudsfrau.
Dickes Plus bei den Beschwerden
Im Jahr 2024 waren dem Jahresbericht zufolge insgesamt 21.548 Beschwerdeeingänge zu verzeichnen; davon waren 15.659 zulässig. Im Jahr 2023 lag die Zahl noch bei 18.037 bzw. 13.205. Das entspricht einer Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 19,5 Prozent, bei den zulässigen Beschwerden um 18,6 Prozent. Vor dem Hintergrund gestiegener Eingangszahlen hat die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der einzelnen Fälle zugenommen. Sie betrug unter Einbeziehung aller Unternehmensbeschwerden 68,3 Tage (2023: 57,6 Tage); werden nur die zulässigen Unternehmensbeschwerden betrachtet, lag der Wert bei 85,9 Tagen (2023: 72,2 Tage). Die Erfolgsquote der Schlichtungsanträge bei Unternehmensbeschwerden lag in der Lebensversicherung bei 34,4 Prozent leicht unterhalb und bei den anderen Sparten insgesamt bei 52,4 Prozent und damit oberhalb des Vorjahres. Als Grund für den Anstieg nennt Kessal-Wulf die gestiegene Bekanntheit der Schlichtungsstelle: „Auch Anwälte schätzen unsere Expertise im Versicherungsrecht und nutzen zunehmend die Möglichkeit der Schlichtung, um für ihre Mandaten schneller etwas zu erreichen." Außerdem sei die Erwartungshaltung der Versicherten gestiegen: „Wenn dann etwas nicht so schnell klappt, wie sie sich das vorgestellt haben, wird eben mal eher ein Schlichtungsantrag gestellt.”
Ghosting vom Versicherer
Kessal-Wulf lobte die Kooperation mit den Mitgliedsunternehmen. Generell sei zu beobachten, dass die Versicherer gewillt sind, Anregungen der Ombudsfrau zu prüfen und der Schlichtungsidee ausreichend Raum zu geben; sehr häufig wird die rasche Einigung mit dem Versicherungsnehmer einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung vorgezogen. Allerdings nehme die Zahl der Beschwerden zu, bei denen die Beschwerdeführer ihren Schlichtungsantrag ausschließlich mit einer gänzlich ausbleibenden oder zumindest stark gestörten Kommunikation mit ihrem Versicherer begründen – sei es, weil dieser überhaupt nicht antwortet, sei es, weil dieser nur mit großer zeitlicher Verzögerung auf die Meldung von Versicherungsfällen oder auf Rückfragen des Versicherungsnehmers reagiert. Nicht selten wird auch beklagt, dass die Versicherer leistungsablehnende Entscheidungen nicht, nur knapp oder für einen juristischen Laien nicht verständlich genug begründen.
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