Allianz will mittelfristig aus Öl und Gas aussteigen
Die Allianz hat ihre Klimastrategie nachjustiert. Eine neue Richtlinie sieht vor, nicht mehr in neue Öl- und Gasfelder, Kraftwerke und Pipelines zu investieren und auch keinen Versicherungsschutz für solche Projekte anzubieten. Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen.
Die Allianz hat eine Verschärfung der eigenen Klimastrategie angekündigt. Der Branchenriese will die Treibhausgasemissionen seiner Standorte und Geschäftsaktivitäten in über 70 Märkten bis 2030 auf null reduzieren, anstatt wie ursprünglich geplant bis 2050. Bis zum Jahr 2040 will sich die Allianz zudem vollständig aus kohlebasierten Geschäftsmodellen zurückziehen. Das teilte der Versicherer vergangene Woche mit.
Grüner Strom, Elektrofahrzeuge und weniger Geschäftsreisen
In einem Zwischenschritt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2025 um 50 Prozent gegenüber 2019 reduziert werden. Als Maßnahmen auf dem Weg zu einem Netto-Null-Ziel bis 2030 nennt die Allianz verstärkte Umweltmanagementmaßnahmen und 100 Prozent Grünstrom bis 2023. Die wichtigsten Hebel seien die Umstellung auf eine vollelektrische Fahrzeugflotte bis spätestens 2030 und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus Geschäftsreisen um 40 Prozent bis 2025.
Kein sofortiger Ausstieg im Neugeschäft bei Öl und Gas
Auch das Engagement in Öl und Gas will die Allianz schneller und umfassender reduzieren, als es die ursprüngliche Klimastrategie vorsah. Einen vollständigen Ausstieg bedeutet das freilich nicht. So will der Branchenriese in der Kapitalanlage von Versichertengeldern und der Schaden- und Unfallversicherung ab Januar 2023 keine Einzelprojekte für neue Öl- und Gasfelder, Öl- und Gasaktivitäten in der Arktis und Antarktis sowie Schwerstöl- und Ultra-Tiefseerisiken finanzieren oder diese versichern. Ab 2025 wolle man keine Unternehmen mehr versichern, die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus Ölsand gewinnen. Zuvor lag diese Grenze bei 20 Prozent. Ab Anfang 2025 erwartet die Allianz laut der neuen „Öl- und Gas-Richtline“ zudem von den größten Öl- und Gasproduzenten eine „solide Netto-Null-Verpflichtung bis 2050 als Bedingung für Versicherungsschutz und Investitionen auf Unternehmensebene“.
Lob für Richtlinie, die dennoch zu kurz greife
Umweltschützer äußerten nach der Ankündigung Lob, aber auch Kritik. So sagt Regine Richter vom Verein Urgewald: „Die Allianz hat eine lobenswerte neue Öl- und Gasrichtlinie verabschiedet. Lobenswert, weil sie die Versicherung neuer, auch konventioneller Öl- und Gasfelder ausschließt. Aber sie greift zu kurz, wenn es um Gas geht: Die Richtlinie schließt Midstream-Gasinfrastruktur wie Flüssigerdgas-Terminals sowie Gas-Kraftwerke oder Fracking-Gas nicht aus, die alle verheerend für das Klima sind.“ Immerhin zeige die neue Richtlinie, „dass die Versicherungsbranche endlich die Klimabedrohung durch die Expansion von Öl und Gas erkannt hat“, so Richter. Die Allianz sei die zehnte große Versicherungsgesellschaft, die Öl- und Gasbeschränkungen für das Versicherungsgeschäft und Investitionen einführe.
Versorgungssicherheit versus geordnete Dekarbonisierung
Die Allianz spricht im Zuge des neuen Plans von einer mittelfristigen bzw. „geordneten Dekarbonisierung der Wirtschaft“. Man wolle den Übergang zu erneuerbaren Energien aktiv vorantreiben. Dafür stelle das Unternehmen relevante Versicherungs- und Investitionskapazitäten bereit, um sich stärker in diesem Bereich zu engagieren. Daher seien grüne Energieprojekte von Öl- und Gasunternehmen in keiner Weise beschränkt.
Indirekt deutet die Allianz an, dass der eigene Zeitplan für den Ausstieg auch mit dem Ukraine-Krieg und einer womöglich bedrohten Versorgungssicherheit zu tun hat. Bekanntlich will Deutschland von russischem Öl und Gas unabhängig werden, was mit erneuerbaren Energien kurzfristig nicht zu schaffen ist. So sagt Günther Thallinger, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, zuständig für Investment Management und Nachhaltigkeit: „Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage muss die zuverlässige Energieversorgung von Haushalten und Unternehmen kurzfristig neu priorisiert werden. Die Politik muss jetzt mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, um Rahmenbedingungen für die langfristige Planung zu definieren und den Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit zu beschleunigen.“ Zum Thema Versorgungssicherheit passt auch eine Fußnote der neuen Richtlinie. Diese sagt aus, dass der Nachhaltigkeitsrat des Unternehmens, dem Thallinger vorsitzt, Ausnahmen festlegen kann – und zwar dann, wenn ein Land ein neues Ölfeld aus Gründen der Energiesicherung erschließt.