Kolumne 30.01.2023 Recht | Ratgeber

Hürden für Geschädigte dürfen nicht zu hoch liegen

Wie detailliert muss ein Versicherungskunde seinen Schaden darlegen? Die VP-Rechtsexperten Schyma und Mallmann erläutern dies anhand eines aktuellen, verbraucherfreundlichen BGH-Urteils.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Das Problem.

Wer einen größeren Sachschaden abwickelt, muss oft Dutzende Kostenpositionen gleichzeitig überblicken. Im Versicherungsfall ist es dann gar nicht so einfach, die Schadenhöhe detalliert darzulegen. Das musste auch die Vermieterin einer Ferienwohnung feststellen, deren Wohnung nach einem Brand schwer beschädigt war.

Der Fall.

Was war passiert? Die in der Ferienwohnung untergebrachten Teilnehmer einer Segelregatta hatten einen Topf auf dem Herd vergessen und das Öl hatte sich entzündet. Mieter der Ferienwohnung (und damit verantwortlich) war der Veranstalter der Segelregatta. Von diesem verlangte die Vermieterin nun Schadenersatz – unterstützt von ihrem Gebäudeversicherer, dem ebenfalls viel an einem erfolgreichen Regress lag, da er für den Schaden zunächst aufgekommen war.

Der Rechtsstreit.

Der Streit landete vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, das über die Schadenersatzansprüche der Vermieterin und ihres Versicherers zu entscheiden hatte. Die Richter wiesen die Klage teilweise ab, weil die Vermieterin nicht alle Schadenpositionen „substantiiert“ dargelegt hatte (Az. 12 U 69/18). Unsubstantiiert bedeutet, dass es sich um bloße Behauptungen handelt, die weder der Richter noch die Gegenseite berücksichtigen müssen. Im konkreten Fall fehlten nach Meinung des Gerichts unter anderem Unterlagen zu angeblichen Mietausfallschäden und zu Schäden an der Betriebseinrichtung.

Das Urteil.

Doch damit machten es sich die Stuttgarter Richter zu einfach, befand der nun angerufene Bundesgerichtshof (Urteil vom 21. September 2022 – IV ZR 501/21). Das OLG Stuttgart habe zu hohe Anforderungen an die Darlegungslast gestellt. Es habe dadurch gegen das Recht der Vermieterin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Statt die Klage in den angeblich nicht ausreichend dargelegten Punkten abzuweisen, hätten die Richter die Höhe des Brandschadens auf Grundlage des Vortrags der Vermieterin schätzen können (§ 287 ZPO) oder der Geschädigten im Rahmen einer Beweisaufnahme Gelegenheit geben müssen, den Schaden genauer darzulegen.

Das Fazit.

Der BGH stärkt die Rechte von Geschädigten (und damit auch von Versicherten): Wer vor Gericht wenigstens greifbare Anhaltspunkte für die Höhe des Schadens liefert, dessen Klage darf das Gericht nicht einfach als „unsubstantiiert“ abweisen. Ob und in welcher Höhe genau ein Schaden entstanden ist, muss das Gericht dann unter Würdigung aller Umstände schätzen – oder dazu in die Beweisaufnahme eintreten.


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