„Grünes“ Rating stellt Schadenversicherern schlechtes Zeugnis aus
Die Greensurance-Stiftung hat mit wissenschaftlicher Hilfe ein Nachhaltigkeits-Rating für Schadenversicherer entwickelt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Keiner von 19 Anbietern konnte die Vorgaben auch nur zur Hälfte erfüllen.
Sachversicherungen in Deutschland sind noch nicht gut aufgestellt, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das behaupten zumindest die Greensurance-Stiftung und die Hochschule für Technik Stuttgart auf Basis eines von ihnen erstellten Ratings. Das Ziel des sogenannten „NATIVE-Ratings“: Die nachhaltigsten Schadenversicherer bestimmen. Dazu zählen unter anderem Haftpflicht, Hausrat und KFZ-Versicherungen. Das Projekt wurde über zwei Jahre von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert.
Nischenversicherer an der Spitze des Ratings
Untersucht wurden insgesamt 19 deutsche Schadenversicherer (explizit nicht die gesamten Konzerne, also ohne die Sparten Leben und Kranken). Grund für die relativ geringe Teilnehmerzahl sei das Projektbudget gewesen. Die vorderen drei Plätze belegen mittelständisch geprägte „Vorreiter“-Versicherer wie die Ostangler Brandgilde (Platz 1 mit 42,17 Prozent), Schwarzwälder Versicherung (Platz 2 mit 38,72 Prozent) und Waldenburger Versicherung (Platz 3 mit 37,8 Prozent). Die größeren Unternehmen wie die Barmenia Allgemeine (36,59 Prozent), R+V Allgemeine (35,45 Prozent) und Allianz Versicherungs-AG (33,93 Prozent) folgen auf den Plätzen vier bis sechs. Schlusslicht ist die VHV Allgemeine Versicherung mit 10,15 Prozent. „Beim Vergleich von 19 Sachversicherungen sieht man Pioniere und andere auf einem guten Weg“, so Marcus Reichenberg, Geschäftsführer der Greensurance-Stiftung, bei der Präsentation der Ergebnisse. Aus Sicht von Greensurance hat die Branche beim Thema Nachhaltigkeit weiterhin Nachholbedarf, zumal sie inzwischen immer stärker von Schäden infolge der Klimaveränderungen betroffen ist. Durch die Wetterextreme und Naturkatastrophen müssten Sachversicherer zunehmend höhere Versicherungsleistungen erstatten.
Mehr Transparenz für Verbraucher
Relevant sei aber auch, ob Versicherer selbst nachhaltigkeitsorientiert handeln und investieren. „Sachversicherungen und vor allem ihre Produkte haben eine große Hebelfunktion, die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität zu unterstützen. Bisher gab es jedoch noch keinen Maßstab, um systematisch zu vergleichen, wie nachhaltig diese Versicherungen sind“, sagen Reichenberg und Prof. Dr. Tobias Popovic, Professor für Corporate & Sustainable Finance an der HFT Stuttgart. Verbraucher könnten mit dem Rating jetzt leicht überprüfen, wie nachhaltig Versicherungen sind und ob eigene Nachhaltigkeitspräferenzen über diese erfüllt werden. „Wir haben mit dem Sachversicherungs-Rating eine Lücke im Bereich der Transparenz geschlossen und das war längst überfällig“, so die Ansicht von Reichenberg. Diese individuellen Präferenzen müssen bekanntlich ab August 2022 auch in der Beratung berücksichtigt werden. Der zugrunde liegende EU-Aktionsplan zur „Finanzierung Nachhaltigen Wachstums“ gebe dem Thema Rückenwind.
NATIVE-Rating
Für das Rating wurden über 300 analysierte Einzelindikatoren berücksichtigt, unter anderem klimarelevante Indikatoren, die verschiedene Aspekte umfassen: Tragen die Produkte dazu bei, den CO2-Ausstoß zu verringern? Erhalten Verbraucher im Schadensfall als Ersatz eine klimafreundliche Variante – etwa smarte Heizungssysteme mit regenerativen anstatt fossilen Energien? Sind die Versicherungen darauf eingestellt, dass ein E-Auto andere Anforderungen als ein Benziner hat?
Die Indikatoren der Nachhaltigkeitsbewertung wurden auf Basis eines theoriegeleiteten Ansatzes sowie durch Berücksichtigung existierender Analyse- und Rating-Ansätze entwickelt, in folgende Kategorien untergliedert und gewichtet: Klima (25 Prozent), Produkt und Schaden (25 Prozent), Kapitalanlage (15 Prozent), gute Unternehmensführung (Governance, 15 Prozent), Soziales (7,5 Prozent), Ökonomie (7, Prozent), Umweltressourcen (5 Prozent).