Werden sich die Prämien in der Sach- und Haftpflicht mehr als verdoppeln?
Allein in Deutschland sollen klimabedingte Versicherungsschäden bis 2040 um fast 90 Prozent steigen. Der Klimawandel werde damit zu einem Treiber für die Versicherungsprämien der Sach- und Haftpflichtsparte, sagt der Rückversicherer Swiss Re.
Die weltweiten Prämien im Sach- und Haftpflichtgeschäft (Property & Casualty, P&C) dürften von 2020 bis 2040 von 1,8 auf 4,3 Billionen US-Dollar steigen und sich damit mehr als verdoppeln. So prognostiziert es zumindest der Schweizer Rückversicherer Swiss Re in seiner Veröffentlichung „sigma 4/2021“. Dabei werde sich die Zusammensetzung der P&C-Portfolios von risikoärmeren Motorfahrzeugversicherungen zu risikoreicheren Sach- und Haftpflichtsparten verlagern. Die Sachversicherung wird den Prognosen zufolge zur am schnellsten wachsenden Sparte werden.
Klimabedingte Risiken treiben Prämien in der Sachversicherung
Vor allem die klima- und wetterbedingten Versicherungsschäden dürften diese Entwicklung vorantreiben. So wird in den Entwicklungsländern bis 2040 eine Steigerung um 30 bis 63 Prozent erwartet. Allein in Deutschland ist mit einem Anstieg von bis zu 90 Prozent zu rechnen und in China sogar mit bis zu 120 Prozent. Allein die klimabedingten Risiken werden laut Swiss Re voraussichtlich für eine Zunahme der Prämien um 22 Prozent bzw. um bis zu 183 Milliarden US-Dollar sorgen, da wetterbedingte Katastrophen sowohl schwerer als auch häufiger werden dürften. Allerdings bleibe die Wirtschaftsentwicklung mit Neuprämien von bis zu 616 Milliarden US-Dollar immer noch der wichtigste Treiber für den Prämienanstieg in der Sachversicherung. Insgesamt erwarten die Schweizer ein jährliches Wachstum von 5,3 Prozent, was einem Anstieg des weltweiten Prämienvolumens von 450 Milliarden auf 1,3 Billionen US-Dollar entspricht.
Auch Haftpflichtprämien werden steigen
Da es bei Schadenersatzurteilen und Vergleichen, insbesondere in den USA, aufgrund der sogenannten sozialen Inflation immer häufiger um enorme Summen geht, dürften die Haftpflichtprämien im Zeitraum 2020 bis 2040 um durchschnittlich 4,7 Prozent jährlich steigen, so die Untersuchung. Der Begriff soziale Inflation beschreibt erhöhte Versicherungsschäden, die aus verschiedenen wachsenden Phänomenen resultieren: gewinnorientierte Prozessfinanzierer, härtere Geschworenenurteile, großzügigere Arbeitnehmerentschädigungsansprüche, gesetzliche Entschädigungserhöhungen oder neue Delikt- und Fahrlässigkeitskonzepte. Weitere Faktoren, die langfristig zum Wachstum der Haftpflichtprämien beitragen könnten, seien die Auswirkungen des Klimawandels, die künstliche Intelligenz sowie gesellschaftliche und rechtliche Veränderungen.
Motorfahrzeugversicherung bleibt langfristig größte Sparte
Während die volatileren Segmente der Sach- und Haftpflichtversicherung nach Darstellung der Swiss RE an Bedeutung gewinnen werden, wird der Anteil der Motorfahrzeugversicherung, eines traditionell risikoärmeren und volumenstarken P&C-Kernsegments, zurückgehen. Grund: Automatisierung und intelligente Technologien führten zu mehr Sicherheit, wodurch die entsprechenden Schäden abnehmen würden. Ihr Prämienanteil am P&C-Risikopool dürfte zwischen 2020 und 2040 von 42 auf 32 Prozent sinken, doch da sich die Prämien laut Prognose im selben Zeitraum mit einem Anstieg auf 1,4 Billionen US-Dollar fast verdoppeln, werde die Motorfahrzeugversicherung voraussichtlich die größte Sparte bleiben.
Das Versicherungsgeschäft werde dabei nicht nur volatiler, sondern auch die Risikomodellierung komplexer, was zu höheren Eigenkapitalanforderungen und einer verstärkten Rückversicherungsnachfrage führen werde. Gianfranco Lot, Head Globals Reinsurance bei Swiss Re: „In diesem grundlegend veränderten Risikoumfeld werden Rückversicherer entscheidend dazu beitragen, dass Risiken versicherbar bleiben.“