Kolumne 17.03.2022 Vermittlerwelt

Humor im Marketing - Geheimwaffe oder Selbstzerstörung?

Den Einsatz von Humor als kommunikatives Stilmittel muss man beherrschen. Das gilt allemal für Vermittler, von denen eher Sachinformatio­nen erwartet werden. Wer weiß, was zu seiner Zielgruppe und dem Produkt passt, kann bei seinen Kunden aber punkten, erklärt VP-Experte Moritz Heilfort in seiner monatlichen Kolumne.

Moritz Heilfort schult und trainiert Finanzdienstleister in der Kommunikation über die Neuen Medien. Über sein Fachgebiet schreibt der Gewinner des Jungmakler-Awards 2020 und Geschäftsführer der paladinum GmbH regelmäßig auf VP-Online. (Foto: KAFFEE, MILCH & ZUCKER, rawpixel.com - de.freepik.com)
Moritz Heilfort schult und trainiert Finanzdienstleister in der Kommunikation über die Neuen Medien. Über sein Fachgebiet schreibt der Gewinner des Jungmakler-Awards 2020 und Geschäftsführer der paladinum GmbH regelmäßig auf VP-Online.
(Foto: KAFFEE, MILCH & ZUCKER, rawpixel.com - de.freepik.com)

Neulich schrieb ich einen Kollegen an, der ein versicherungsbezogenes Witzbildchen auf seinem geschäftlichen Social-Media-Profil geteilt hatte, ob er sich bewusst sei, dass er damit seine eigenen Kunden in die Pfanne haue. Es handelte sich um eine überzeichnete Szene nach der Überflutung im Ahrtal, in der sarkastisch darauf eingegangen wurde, dass vor der Katastrophe niemand eine Elementardeckung haben wollte. Das mag ja der gefühlten Realität des Kollegen nahekommen. Die geteilte Karikatur hat zwar die gewünschte für Aufmerksamkeit gebracht – allerdings fielen zahlreiche Kommentare negativ aus.

Humor verstehen und bewusst einsetzen

 

Auf der Suche nach dieser Aufmerksamkeit kommen Berater und Unternehmen zunehmend auf die Idee, im Marketing auf Humor zu setzen. Die Bandbreite von „pointiert witzig“ über „zum Fremdschämen peinlich“ bis hin zum „Klischee bedienenden Machwerk“ mit anschließendem Shitstorm ist dabei sehr groß. Es lohnt sich deshalb, etwas genauer hinzusehen.

Per Definition ist Humor – ganz humorlos – einfach nur ein Stilmittel der Kommunikation. Dieses Stilmittel arbeitet vor allem mit Wortspielen, Ironie und Sarkasmus, mit Übertreibung oder Überraschungen. Es gibt verschiedene Theorien, warum Humor wirkt, wie er wirkt. Ein einleuchtendes Modell ist das Inkongruitäts-Auflösungs-Modell (Suls, 1983). Es besagt im Grunde, dass erst gewisse Erwartungen in einer Situation erzeugt werden, die dann aber nicht so eintreten. Jetzt wird im Kopf nach der tatsächlich angewendeten Regel in der Situation gesucht. Wird diese hintergründige Regel gefunden, führt das zu Lachen oder Verblüffung. Das kann man selbstverständlich im Marketing und für Social Media einsetzen.

Wirkt Humor im Finanzkontext positiv oder nicht, und sollte er einen Platz im Contentplan und den Kreativsessions bekommen?

Der Humor muss zum Produkt passen

 

Die Frage ist, wirkt Humor nun im Finanzkontext positiv oder nicht, und sollte es einen Platz im Content-Plan und den Kreativsessions bekommen? Um diese Frage zu beantworten sollte man sich erst mal mit dem Produkt und den Zielen, die Kunden mit Versicherungen erreichen möchten, beschäftigen. Versicherungen gehören zu den Produkten, die von Kunden seltener gekauft werden und aufgrund der meist längerfristigen Bindung und teils hohen Investitionen mit einem hohen Kaufrisiko verbunden sind. Das führt dazu, dass der Informationsbedarf vor Abschluss einer Police sehr hoch ist. Traditionell ist damit seriös gestaltete Werbung zum professionellen Beziehungsaufbau oder zur Kundeninformation am ehesten zielführend.

Lebensrealität der Zielgruppe kennen

 

Untergräbt damit Humor also zwangsläufig die Vertrauenswürdigkeit in die Produkte oder den Berater? Tatsächlich ist es so, dass diese Regel nicht allgemeingültig ist, sondern dass Humor, der zum Produkt passt, wiederum sehr positiv wahrgenommen wird. Sehr häufig versagen Versicherungsgesellschaften, Berater und Marketingagenturen aber genau an dieser Stelle auf ganzer Linie. Das liegt meist an der mangelnden Beschäftigung mit der Lebensrealität der Zielgruppe. Sie schließen sozusagen vom eigenen Humor auf den Humor der Kunden und liegen damit nicht selten schief. Oder noch schlimmer: Sie beleidigen ihre (potenziellen) Kunden oder andere Personengruppen, was dann zu Imageverlusten oder im schlimmsten Fall zu einem Shitstorm führen kann.

Die wichtigste Regel für Humor im Marketing ist also die intensive Beschäftigung mit der Zielgruppe unter Einbeziehung aktueller Gegebenheiten. Nun stellt sich noch die Frage nach der Art des Humors. Man kann grob zwei Kategorien unterscheiden:

  • Einfacher Witz. Dieser eher eindimensionale Humor findet seine Anwendung häufig in Wortwitzen, Memes und platter Situationskomik.
  • Komplexer Humor. Das Kernelement ist hier eine Transaktionsleistung und die damit verbundene Arbeit den Witz in einer Situation oder einer Aussage zu verstehen. Dies findet man häufig in der Satire.

Welche Wirkungen Vermittler erzielen können

 

Wenn diese Elemente in eine Werbung eingebettet werden, sieht man verschiedene Wirkungen. Einfacher Humor ohne Bezug zur Marke, Dienstleistung oder zum Berater steigert zwar die Aufmerksamkeit (negativ oder positiv) generell, aber die Betrachter beschäftigen sich nicht mit dem Produkt oder der Marke. Schlimmer, sie könnten sie sogar übersehen. Komplexer Humor ohne direkten Bezug zur Marke, Dienstleistung oder zum Berater kann positiv wirken, lenkt aber von der eigentlichen Kernaussage ab. Es tritt der sogenannte Vampir-Effekt ein. Dagegen wird bei intelligentem, markenbezogenem Humor die Werbewirkung optimal gesteigert und die Verbindung zwischen Berater und Konsument gestützt.

Man sieht: Richtig angewendet, ist Humor wirklich ein wirksames Mittel aus dem Marketingkoffer und sollte unbedingt genutzt werden. Aber wie immer, benötigt es etwas mehr Überlegungen und vor allem Empathie, um dieses Mittel richtig einzusetzen. Und wer dabei über sich selbst lachen kann, kommt häufig besonders gut an.


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