In welche Nachhaltigkeitsthemen die Versicherer investieren
Die Finanzdienstleistungsbranche sieht im Thema Nachhaltigkeit zunehmend Wachstums- und Ertragspotenzial. Das geht aus einer Teilveröffentlichung einer Untersuchung von Sopra Steria hervor. Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen für das eigene Unternehmen spielen soziale Themen eine wesenliche Rolle.
Finanzdienstleister in Deutschland wollen künftig verstärkt Nachhaltigkeit als Ertragsquelle nutzen. Das geht aus der Online-Befragung „Nachhaltigkeit durch Digitalisierung“ unter 322 Entscheidern aus Wirtschaft und Verwaltung im Auftrag des Technologie- und Beratungsunternehmens Sopra Steria aus dem April hervor. Die Hamburger haben nun die Ergebnisse für die Finanzdienstleistungsbranche gesondert vorgestellt.
Bedeutung und Akzeptanz des Themas Nachhaltigkeit wachsen
Laut Studie sind 78 Prozent der Entscheider in der Finanzdienstleistungsbranche überzeugt, dass Nachhaltigkeitskriterien bei der Entwicklung von Dienstleistungen wichtig bis eher wichtig sind. Neben Anlageprodukten nach ESG-Kriterien rücken demnach auch gendergerechte Lösungen sowie verhaltensabhängige Produkte in den Fokus. Darüber hinaus arbeitet die Branche verstärkt daran, eigene Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Mitte 2021 äußerten sich im „Branchenkompass Insurance“ viele Finanzdienstleister noch zurückhaltender über Nachhaltigkeitsprodukte und ihre Rolle beim Erreichen ökologischer Nachhaltigkeitsziele. Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien stellte für viele vor allem eine große regulatorische Pflichtaufgabe dar. Explizit auf die Versicherungswirtschaft bezogen, stimmten nur 16 Prozent der Manager hier der Aussage zu, dass die eigene Branche künftig wesentlich dazu beitragen werde, den Klimawandel zu stoppen.
Mittlerweile genießt das Thema Nachhaltigkeit in den Chefetagen der Finanzdienstleister offenbar deutlich mehr Aufmerksamkeit. Nachhaltigkeit soll verstärkt auch als Wachstumstreiber genutzt werden, so Sopra Steria. In der Versicherungsbranche befeuert unter anderem die europäische Vertriebsrichtlinie IDD das Thema Nachhaltigkeit bei Versicherungsanlageprodukten. Seit August 2022 müssen Vermittler und Versicherer ihre Kunden bekanntlich nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen in der Beratung fragen.
Produkte werden im Sinne von Nachhaltigkeit angepasst
Abseits davon wollen Versicherer mit verhaltensabhängigen Tarifen wachsen. Sie geben Kunden Rabatte für ein bestimmtes nachhaltiges Verhalten, beispielsweise eine umweltschonende Fahrweise in der Kfz-Versicherung, oder sie erhöhen die Leistungen bei Privathaftpflichtansprüchen, wenn die Geschädigten eine nachhaltige Wiederbeschaffung oder Reparatur nachweisen. Andere Versicherer bieten spezielle Policen wie Dürreversicherungen an oder versichern Nachhaltigkeitsberufe wie Energieberater gegen mögliche Haftpflichtansprüche. Laut Studie fokussieren sich viele Nachhaltigkeitsprodukte der Finanzdienstleister auf den Klimaschutz. Die anderen beiden Aspekte – also Soziales und Unternehmensführung – scheinen hier demnach eine untergeordnete Rolle zu spielen. Anders sieht es bei den eigenen Nachhaltigkeitszielen aus: Das Gros der Banken und Versicherungen fährt hier mehrgleisig. Für zwei Drittel der befragten Entscheider sind alle drei ESG-Kriterien gleichermaßen wichtig. Zum Vergleich: Branchenübergreifend besitzen nur für 49 Prozent der Unternehmen und Behörden in Deutschland alle drei Kriterien den gleichen Stellenwert.
Zudem helfen neue Möglichkeiten der Datenauswertung sowohl Versicherern als auch Banken bei der Entwicklung und Vermarktung von Nachhaltigkeitsprodukten, so Sopra Steria. Für 73 Prozent der befragten Entscheider ist das Thema „Data & Analytics“ ein zentraler Faktor zur Steigerung der Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen sowie für die Entwicklung neuer Dienstleistungen, die Erträge bringen.
Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen im Fokus
Viele Finanzdienstleister setzen innerhalb einzelner Kriterien Schwerpunkte: 62 Prozent investieren derzeit in Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen – deutlich mehr als Unternehmen anderer Branchen und Behörden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Finanzsektor sind zwar Frauen, die meisten davon gut ausgebildet, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Untersuchung von 2019. Der Frauenanteil in den Top-Führungsetagen ist dagegen deutlich niedriger. Diese Lücke will die Branche offenbar schließen.
„Banken und Versicherer werden deutlich mehr Kunden von ihren Nachhaltigkeitsprodukten überzeugen, wenn sie selbst ihre Hausaufgaben machen. Und um wirksame Erfolge bei Themen wie Diversität zu erzielen, sollten Unternehmen – nicht nur Finanzdienstleister – diese Themen als wirtschaftliche Ziele behandeln, genauso wie Kundenzufriedenheit und Wechselbereitschaft. Sie sollten sie also mit harten Kennzahlen versehen und zudem die Auswirkungen auf die klassischen Finanzkennzahlen wie Neugeschäft und Erträge sichtbar machen“, sagt Jennifer Brasnic, Partner und Director Banking bei der Sopra Steria SE. Bemerkenswert: Das Top-Management von Sopra Steria in Deutschland besteht aus sieben Männern.