Rückversicherer kündigen kräftige Prämienerhöhungen an
Die großen Rückversicherer Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück wollen an der Preisschraube drehen. Als Begründung werden die wachsende Zahl und Dimension von Großschäden durch Naturkatastrophen, die Folgen der Pandemie und der Anstieg der Inflationsraten genannt.
Man gönnt sich ja sonst nichts: Im mondänen monegassischen Stadtbezirk Monte-Carlo treffen sich traditionell die internationalen Rückversicherer. Zwei Jahre war coronabedingt Pause, nun haben sich die Branchenschwergewichte wieder hier versammelt. Das Treffen markiert den Beginn der Gespräche mit Versicherern und Maklern über die Erneuerung der Verträge zum 1. Januar 2023. Diese dürften schwierig werden, denn die Branche stimmte ihre Kunden auf der Erstversicherungsseite bereits auf schwere Zeiten ein.
Munich Re mit indirekter Drohung
Der bei Munich Re für die Rückversicherung zuständige Vorstand Torsten Jeworrek rechnet zwar weiterhin mit steigenden Preisen, wie er zum Auftakt des Treffens sagte. „Die nächste Erneuerungsrunde wird aber viel, viel herausfordernder als die letzte.“ Die zahlreichen Unsicherheitsfaktoren machten es schwer, verlässliche Annahmen zu treffen. Bei den Vertragsverhandlungen zur Jahresmitte hatte die Münchener Re die Preise bereits kräftig erhöht, bereinigt um die Inflation war aber nur ein kleines Plus geblieben. Jeworrek warnte davor, dass sich zahlreiche Rückversicherer vor allem aus dem Markt für Naturkatastrophen-Deckungen zurückziehen. Die Kapazität der Rückversicherer sei zum ersten Mal seit 2018 zurückgegangen. Bei steigender Nachfrage seien Engpässe zu befürchten. Dafür könnten die Münchener sogar selbst sorgen. Falls das Unternehmen in der Erneuerung bei Preisen nicht den Zielwert „Inflation und mehr“ durchsetzen könne, werde es laut Jeworrek Kapazität zurückziehen.
Risikomanagement an den Klimawandel anpassen
Angesichts zunehmender Starkregen- und Flutereignisse sowie Hitzewellen und Dürren rief Jeworrek zu einem klimaneutralen Umbau der Wirtschaft auf. Munich Re arbeite unterdessen an neuen Risikomodellen, um regionale Sturzfluten künftig besser vorhersagen zu können. Damit will der Konzern auch solch verheerende Ereignisse wie die Flutkatastrophe vom Juli 2021 im Westen Deutschlands verhindern oder ihre Folgen abschwächen helfen. „Schon heute ist angesichts der Schäden genaueres Wissen über diese Ereignisse notwendig, um besser Vorsorge betreiben zu können. Zudem ist eine Kombination aus mehr Prävention und einer höheren Absicherung durch Versicherung wichtig, für die risikoadäquate Preise die Voraussetzung sind“, so Thomas Blunck, im Vorstand von Munich Re unter anderem für das Ressort Europa/Lateinamerika zuständig.
Branchengrößen in Sachen Preisanpassungen einig
Auch die Hannover Rück erwartet vor dem Hintergrund eines Trends zu teureren Großschäden weitere Preiserhöhungen. „Die Inflationsraten sind in vielen Regionen so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zusammen mit dem Krieg in der Ukraine und der nach wie vor nicht besiegten Pandemie befeuert dies den langjährigen Trend zu immer höheren Belastungen für Erst- und Rückversicherer“, sagte Jean-Jacques Henchoz, Vorstandsvorsitzender der Hannover Rück SE. „In der Schaden-Rückversicherung sind weitere risikoadjustierte Ratenerhöhungen deshalb unvermeidbar.“ Ganz ähnlich äußerte sich der weltweite Branchenzweite Swiss Re. Energieschocks, Cyber-Bedrohungen sowie Unterbrechungen der Lieferketten sind aus Sicht der Schweizer dabei weitere Herausforderungen für die Rückversicherungsbranche. „Da wir im aktuellen dynamischen Risikoumfeld eine Zunahme der Kostentreiber sehen, müssen die Versicherungsprämien sorgfältig kalibriert werden, um damit Schritt zu halten“, so Moses Ojeisekhoba, Chief Executive Officer Reinsurance von Swiss Re.
Wachstumschancen über die Inflation hinaus
Für die Vertragserneuerung zum 1. Januar 2023 rechnet die Branche nicht nur in schadenbetroffenen Sparten und Regionen mit weiteren Preissteigerungen und Konditionsverbesserungen. Swiss Re erwartet, dass erhöhtes Risikobewusstsein und zunehmende Risikoexponierung zu einer höheren Nachfrage nach Versicherungsschutz in allen Branchen und Regionen führen werden. Daraus resultiert ein positiver Ausblick für die Prämienentwicklung. Die hat man auch bei der Munich Re. Bis 2024 werde der weltweite Schaden-Unfall-Rückversicherungsmarkt mindestens so stark wachsen wie der Erstversicherungsmarkt. Laut der eigenen Economic Research-Abteilung dürfte der Rückversicherungssektor von 2022 bis 2024 weltweit inflationsbereinigt um zwei bis drei Prozent zulegen.
Erhebliches Geschäftspotenzial sehen die Rückversicherer in der Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Wenn sich etwa die globalen Investments in erneuerbare Energien im nächsten Jahrzehnt wie prognostiziert auf rund 1300 Milliarden US-Dollar jährlich verdreifachen, könnte das zusätzliche Prämien von 237 Milliarden Dollar bedeuten. Eine gewichtige Rolle werde dabei voraussichtlich der so genannte Grüne Wasserstoff spielen, der mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.