Über 18.000 Fälle: Versicherungsombudsmann legt Tätigkeitsbericht vor
Die Zahl der Eingaben bei der Verbraucherschlichtungsstelle sind 2021 leicht gestiegen, darunter jedoch deutlich mehr zulässige Beschwerden über Vermittler. Dahinter steckt aber nur ein einzelner Streitfall mit vielen betroffenen Kunden, der Versicherungsombudsmann Dr. Wilhelm Schluckebier Ärger machte.
Die Anzahl der beim Versicherungsombudsmann eingegangenen Beschwerden hat sich 2021 insgesamt leicht erhöht. Das geht aus dem nun veröffentlichen Tätigkeitsbericht der Verbraucherschlichtungsstelle hervor. Demnach ist die Zahl der eingegangenen Anträge auf 18.344 gestiegen, nach 18.133 im Vorjahr. Mit den vorgelegten Zahlen legt der seit 2019 amtierende Ombudsmann, Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier Rechenschaft über seine Schlichtungsarbeit in der Lebens- und die Schadenversicherung ab.
Vier von fünf Fällen bei Vermittlern waren zulässig
Auffällig ist vor allem die Steigerung der Eingaben gegen Versicherungsvermittler auf 677, nach 298 laut Vorjahresbericht. 560 davon wurden als zulässig beendet, 36 befanden sich zum Jahresende 2021 noch in Bearbeitung. Nur 119 Beschwerden (18 Prozent) wurden als unzulässig abgewiesen. 2020 lag der Anteil der unzulässigen Fälle deutlich höher (179 Fälle, entspricht 60 Prozent). Aber wie kam es zu den Fällen und der dramatisch schlechteren Beschwerdequote? Offenbar ist der Großteil der Beschwerden auf ein Unternehmen und einen Sachverhalt zurückzuführen.
Einzelfall sorgt für hunderte Fälle
Im Bericht von Schluckebier heißt es dazu: „Anlässlich einer konfliktbehafteten Umdeckung von Verträgen zu Sachversicherungsverträgen (hauptsächlich Wohngebäude, zum Teil Hausrat) durch einen Assekuradeur (Versicherungsmakler) kam es zu Hunderten von Beschwerden, da von Versicherungsnehmern Versicherungsbeiträge zu zwei Verträgen (alt und neu) gefordert wurden.“ Im Schlichtungsverfahren habe sich nicht endgültig klären lassen, ob die Altverträge wirksam gekündigt wurden. Laut Tätigkeitsbericht hat sich der Assekuradeur auf der einen Seite als Makler von den Versicherungsnehmern zur Umdeckung bevollmächtigen lassen. Gleichzeitig hat aber der alte wie auch der neue Versicherer die Verwaltung der Verträge inklusive Policierung, Beitragsinkasso und Schadenregulierung auf den Assekuradeur ausgelagert und ihn seinerseits mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet. „Trotz intensiver Bemühungen des Streitmittlers gelang es nicht, zwischen den heftig zerstrittenen Parteien (Vorversicherer und Assekuradeur) eine Regelung zu vereinbaren, die den unverschuldet in die Situation geratenen Verbrauchern unproblematisch eine Entscheidung für das künftige Versicherungsverhältnis ermöglicht hätte“, so Schluckebier.
Gebäudeversicherung macht im Spartenvergleich Sprung nach oben
Letztlich ließ dieser Einzelfall beispielsweise die Anzahl der Vermittlerbeschwerden in der Gebäudeversicherung von 16 auf 410 im Jahresvergleich ansteigen. Die Geschehnisse rund um den Assekuradeur hatten offenbar auch Auswirkungen auf die Beschwerden über Versicherungsunternehmen. Zwar ging die Gesamtzahl an Fällen um 113 auf 17.300 zurück. In der Gebäudeversicherung stieg die Fallzahl aber deutlich um 40 Prozent an, von 1333 auf 1875 im Jahr 2021. Im Spartenvergleich bedeutet das Platz 3. Spitzenreiter ist diesmal die Lebensversicherung mit insgesamt 3963 eingegangenen Anträgen vor der Rechtsschutzversicherung mit 3566 Fällen.
Rechtsanwälte stürzen sich auf das Thema Widerrufsbelehrung
Bei Lebensversicherungen rührt die hohe Anzahl an Antragseingängen laut Ombudsmann von der als „ewiges Widerrufsrecht“ bekannten Thematik her: Die Vertragserklärung soll nach Jahren, teils auch nach weit über einem Jahrzehnt und teils zu bereits längst gekündigten Verträgen widerrufen werden, weil ein Mangel in der Widerrufsbelehrung des Vertragspartners vorgelegen haben soll. Nach dem aktuellen Tätigkeitsbericht wurden derartige Schlichtungsanträge fast ausschließlich durch auf diese Thematik spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien und in dreistelliger Größenordnung eingereicht.
Versicherungsombudsmann
Die private Schlichtungsstelle Versicherungsombudsmann (VOM) wurde von der deutschen Versicherungswirtschaft im Jahr 2001 gegründet. Zur Schlichtungsstelle gehören der Ombudsmann und der Trägerverein, der die personellen und sachlichen Mittel bereitstellt. Der Zweck besteht in der Förderung der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern, insbesondere aus einem Versicherungsvertrag oder im Zusammenhang mit der Vermittlung eines solchen. Die Schlichtungsstelle wurde mehrfach, erstmals 2005, von staatlicher Seite mit Aufgaben nach dem Versicherungsvertragsgesetz betraut und erhielt im Zuge der Gesetzgebung zur Förderung von außergerichtlicher Streitbeilegung 2016 die Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle.