Verbraucherschützer machen sich für alternative Allgefahrendeckung stark
Der Verbraucherzentrale Bundesverband plädiert in einem Positionspapier dafür, vor einer Versicherungspflicht für Elementarschäden zunächst zu evaluieren ob die Allgefahrendeckung auch über den Markt geregelt werden kann. Das erfordert aber einen starken Eingriff ins Versicherungsvertragsgesetz.
Das Ziel ist klar formuliert: „Für einen bezahlbaren Versicherungsschutz gegen Naturgefahren für Jedermann“. So zumindest ist ein Positionspapier zur Versicherbarkeit gegen Elementarschäden an Wohngebäuden betitelt, das nun der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) veröffentlicht hat. Das Thema ist nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands omnipräsent, der Kanon der Stimmen, das sich etwas ändern muss, ist vielstimmig. Dabei ging es in den vergangenen Wochen zumeist um das Für und Wider einer Pflichtversicherung für Elementarschäden. Die Verbraucherschützer äußern sich nun deutlich differenzierter und suchen nach Lösungswegen.
Allgefahrendeckung als milderes Mittel
Die Elementarschadenversicherung bleibt aus Sicht des vzbv bei Wohngebäuden essenziell. Die bisherige Marktdurchdringung von rund 46 Prozent spiegele diese Bedeutung jedoch nicht wider und sei als nicht ausreichend einzustufen. Ein Anstieg der Versicherungsdichte sei nicht zu erwarten, aber erforderlich. Für regulative Maßnahmen seitens des Gesetzgebers, wie der Einführung einer Versicherungspflicht, lägen die engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen bislang nicht vor.
Der vzbv schlägt zur Erhöhung der Marktdurchdringung die Einführung einer Allgefahrenabsicherung (einschließlich sämtlicher Naturgefahren) für die Wohngebäudeversicherung im Versicherungsvertragsgesetz vor. Danach wird Verbrauchern zunächst der umfassende Versicherungsschutz angeboten. Sie haben aber die Möglichkeit, die Elementarabsicherung aktiv abzuwählen. Das Verfahren deckt sich laut vzbv mit den aktuellen Musterbedingungen des GDV für die Wohngebäudeversicherung. Der Risikoschutz müsste jedoch auf sämtliche Naturgefahren erweitert werden. Die Einführung der Allgefahrendeckung sollte mit einer breit angelegten Informationskampagne begleitet werden.
Umstellung von Altverträgen
Versicherer sollten außerdem eine Umstellung der Altverträge auf die neuen Versicherungsbedingungen unterstützen müssen. Hierzu sollten sie Verbrauchern in verständlicher Art und Weise beide Produktvarianten unter Darstellung der jeweiligen Versicherungsprämien erläutern und ihnen eine angemessene Frist zur aktiven Entscheidung für eine Produktvariante eingeräumt werden müssen. Werden Verbraucher nicht aktiv, muss eine Umstellung auf die Allgefahrenabdeckung erfolgen, so die Förderung des Verbands.
Prüfung einer Versicherungspflicht
Zwei Jahre nach Einführung der Allgefahrenabdeckung sollte evaluiert werden, ob diese Maßnahme ihre Wirkung entfaltet hat. Sollte sich herausstellen, dass es für bestimmte Verbrauchergruppen (in der Hochwasser-Zone ZÜRS 4 oder bei Kündigungen wegen Schadensfall) mit erheblichem Aufwand verbunden ist, Versicherungsschutz zu erlangen, die Versicherungsprämien so abschreckend hoch sind, dass der Versicherungsschutz abgewählt wird oder die Verbreitung der Absicherung nicht mindestens 80 Prozent erreicht, wird die Einführung einer Versicherungspflicht aus Sicht der Verbraucherschützer notwendig.
Finanzieller Ausgleichsmechanismus
Berücksichtige man, dass eine solche Umstellung für einzelne Verbraucher Prämiensteigerungen von bis zu 30 Prozent bedeuten können, muss es laut vzbv einen Mechanismus geben, die finanzielle Belastung für Verbraucher in besonders betroffenen Gebieten deutlich zu reduzieren. In einem ersten Schritt könnte die Prämie über Selbstbehalte reduziert werden, womit gleichzeitig auch die Motivation zur Eigenvorsorge gesteigert würde. Reicht dieses Instrument nicht aus, könnten die entsprechenden Verträge in einem „Schlechte-Risiken“-Pool gebündelt werden. Die anderen Versicherungsnehmer kofinanzieren diesen Pool über einen Zuschlag auf ihre Versicherungsprämie.
Maßnahmen außerhalb des Versicherungsrechts
Der vzbv betont weiter, dass bei einer Regulierung der privatversicherungsrechtlichen Absicherung gegen Naturgefahren ein ganzheitlicher Ansatz gefahren werden muss. Dies bedeutet, dass es begleitende Maßnahmen des Staates geben muss: eine Ausfalldeckung, die über die Höchstgrenze eines im Markt darstellbaren Versicherungsschutzes über Erst- und Rückversicherer hinausgeht, begleitende Maßnahmen im Bauordnungs- und Planungsrecht, Präventionsmaßnahmen (etwa gegen Hochwasser, Sturmflut und Erdrutsch), eine steuerliche Förderung von Hochwasserschutzmaßnahmen und Unterstützungsleistungen hinsichtlich der Bezahlbarkeit der Versicherungsprämie.