Signal Iduna wächst erneut stärker als der Markt
Die Versicherungsgruppe aus Dortmund und Hamburg legt für 2023 eine erstklassige Bilanz vor – trotz Abschreibungen im Zusammenhang mit der Pleite des Immobilienkonzerns Signa. Auch im ersten Quartal 2024 setzt die Signal Iduna ihren Wachstumskurs fort, der mithilfe des Strategieprogramms „Momentum 2030“ langfristig gefestigt werden soll.
Die Chance lässt sich Ulrich Leitermann nicht entgehen. Als auf der Bilanzpressekonferenz der Signal Iduna Gruppe das aktuelle Hochwasser in Süddeutschland und die erwartete Schadenshöhe zur Sprache kommen, kritisiert der Vorstandsvorsitzende die Politik scharf: „Nehmt das Thema Prävention endlich ernst!“, fordert Leitermann. Stattdessen werde „die Pflichtversicherung wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Das hilft uns nicht weiter, wir müssen endlich ins Handeln kommen.“ Der Klimawandel führe zu mehr Ertremwetterlagen und damit Großschadensereignissen. „Da kann es nicht sein, dass wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen in gefährdeten Gebieten betriebliche Flächen nach Überschwemmungen, an der gleichen Stelle wieder aufgebaut werden. Das ist keine Prävention“, sagt Leitermann.
Gute Erfahrung mit aktivem Ausschluss von Elementarschutz
Die Signal Iduna bewegt sich ganz auf der Linie des Branchenverbands GDV, spricht sich für Bauverbote in Überflutungsgebieten aus, fordert robustere Hochwasserschutzanlagen, setzt auf Eigenvorsorge – und lehnt eine flächendeckende Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ab. Der Versicherer mit Sitz in Dortmund und Hamburg praktiziert bereits seit 2018 das vom GDV für die gesamte Branche vorgeschlagene „Opt-Out-Modell“: Neukunden, die eine Wohngebäudeversicherung abschließen, müssen sich aktiv gegen eine Elementarschadenversicherung entscheiden, wenn sie diese nicht haben wollen. Die Entscheidung wird im Beratungsprotokoll dokumentiert, das der Kunde unterschreiben muss. „Das hat die Abwahlschwelle erhöht“, bestätigt Stefan Kutz, noch bis Juli dieses Jahres verantwortlicher Vorstand für die Kompositversicherung der Signal Iduna. „Haupttreiber für den Elementarschutz sind aber Schadenereignisse – nicht nur Hochwasser, sondern auch Starkregen.“
Starkes Ergebnis für die Kompositsparte, hohes Wachstum bei Wohngebäudepolicen
Mit einem Plus von 20,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gehörte die Wohngebäudeversicherung denn auch zu den Wachstumstreibern bei Sachversicherungen. Für den Einschluss eines Elementarschutzes haben sich über den gesamten Bestand im gewerblichen Bereich sieben von zehn Signal-Iduna-Kunden entschieden, im privaten Bereich liegt die Quote mit 55 Prozent aber deutlich niedriger. Auch sonst verlief das Geschäftsjahr 2023 in der Kompositversicherung aus Konzernsicht sehr erfreulich. Die Signal Iduna Allgemeine meldet bei den Beitragseinnahmen einen Anstieg von 7,8 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro. Die Aufwendungen für Versicherungsfälle kletterten im Inland insgesamt um 11,6 Prozent auf 1,13 Milliarden Euro. Die Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) erhöhte sich gegenüber dem Vorjahreswert (91,2 Prozent) auf 94,5 Prozent. Deutlich dazu beigetragen hat die Kfz-Versicherung, deren Combined Ratio wie bei vielen Wettbewerbern über 100 Prozent liegt. Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen belief sich auf 2,7 Prozent.
Die betriebliche Krankenversicherung boomt
Auch in der Krankenversicherung (KV) läuft es. Die gebuchten Bruttobeiträge bei der SIGNAL IDUNA Krankenversicherung a. G. stiegen gegenüber dem Vorjahr um 43,3 Millionen auf 3,23 Milliarden Euro – ein Plus von 1,4 Prozent. Die Brutto-Aufwendungen für Versicherungsfälle legten um 3,9 Prozent auf 2,75 Milliarden Euro zu – die Krankenstände haben sich nach Corona deutlich erhöht. Die Nettoverzinsung in der Krankenversicherung betrug 3,1 Prozent. „Besonders erfreulich ist die Entwicklung in der betrieblichen Krankenversicherung“, sagt Signal Iduna-Chef Leitermann. „Hier verdoppelte sich der Bestand nahezu auf über 46.000 versicherte Personen.“
Lebensversicherung entwickelt sich besser als der Markt
Der Anstieg der Kapitalmarktzinsen hilft auch den Anlagestrategen der Lebensversicherer in der Signal Iduna Gruppe. Das ist gut für Kunden: Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen belief sich 2023 beim Gegenseitigkeitsverein auf 2,4 Prozent und bei der AG auf 2,5 Prozent. Die gebuchten Bruttobeiträge beider Gesellschaften sanken insgesamt um 25,2 Millionen auf knapp 1,125 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang um 2,2 Prozent. Damit fällt das Minus geringer aus als im Gesamtmarkt (-3,9 Prozent). Im Neugeschäft gegen laufenden Beitrag vermeldet die 2022 gegründete SI Lebensversicherung AG ein kräftiges Wachstum um gut 29 Prozent auf 68,4 Millionen Euro. Dagegen verzeichnete die SI Lebensversicherung a. G. gegenüber dem Vorjahr einen planmäßigen Rückgang um 24,5 Prozent auf 35,3 Millionen Euro.
Starker Vertrieb und hohe Nettoerträge aus Kapitalanlagen puschen Wachstum
Die Gesamtschau fällt positiv aus, die Signal Iduna ist zum vierten Mal in Folge stärker als der Markt gewachsen. Die gebuchten Bruttobeiträge der Gruppe legten im Geschäftsjahr 2023 um 2,8 Prozent auf 6,65 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,47 Milliarden Euro) zu. Das Gesamtergebnis verbesserte sich um 41,7 Prozent auf 823,6 Millionen Euro (Vorjahr 581,1 Millionen Euro). Das aus Sicht der Signal Iduna sehr gute Vertriebsergebnis des Jahres 2022 wurde 2023 noch übertroffen. Das Neugeschäft legte um 3,4 Prozent auf 364 Millionen Euro zu. Das gute Gesamtergebnis sei außerdem auf die stark gestiegenen Nettoerträge aus Kapitalanlagen zurückzuführen: plus 17,8 Prozent auf 1,51 Milliarden Euro.
Neue Konzernstrategie – das Momentum des Erfolgs nutzen
„Wir haben in den letzten fünf Jahren die Grundlagen für unser marktüberdurchschnittliches ertragreiches Wachstum geschaffen, indem wir uns kundenzentrierter, agiler und digitaler aufgestellt haben“, resümiert Leitermann und wertet das abgeschlossene Strategieprogramm „Vision 2023“ als vollen Erfolg. Mit dem Nachfolgerprogramm „Momentum 2030“ solle die Entwicklung verstetigt werden, „um bei Wachstum und Ertrag noch deutlicher zuzulegen“, so Leitermann. „Wir wollen das Bestandsgeschäft weiter ausbauen und speziell in unseren Fokuszielgruppen Marktanteile gewinnen.“
Starker Start ins neue Geschäftsjahr, Baustellen im Blick
Tatsächlich sieht es für 2024, das letzte volle Geschäftsjahr, das der 65-jährige Leitermann als Vorstandsvorsitzender der Gruppe verantworten wird, bislang sehr gut aus. „Im ersten Quartal lag das Beitragswachstum bei 6,2 Prozent“, berichtet Leitermann. Zum Vergleich: Die Jahresprognose für die gesamte Branche liegt bei 2,9 Prozent. Doch die Herausforderungen dürften nicht geringer werden. Eine wichtige Baustelle der Versicherungsgruppe bleibt die Kundenzufriedenheit. „Als Serviceversicherer wollen wir hier unter die Top-5. Das haben wir bislang nicht geschafft“, sagt Leitermann. Im Gegenteil: Zum Jahreswechsel hatten sich die Beschwerden von Kunden über die Erreichbarkeit und Schadenbearbeitung gehäuft. Damit waren die Dortmunder insbesondere in der Krankenversicherung allerdings nicht allein. Die gesamte Branche hatte in den Wintermonaten erhebliche Schwierigkeiten, den massiven Anstieg der eingereichten Rechnungen zu bewältigen. Inzwischen, so Leitermann, sei das Problem unter Kontrolle, die Ursachenforschung aber noch nicht vollständig abgeschlossen.
Telefonische Erreichbarkeit sicherstellen, digitale Nutzungsquote erhöhen
Um eine höhere Kundenzufriedenheit zu erzielen, nutzt die Signal Iduna ein Kennzahlensystem, das seit knapp zwei Jahren aufgebaut ist und inzwischen die Schwachstellen identifiziere. „Die Schlüsse, die wir daraus ziehen, und die Maßnahmen, die wir ergreifen, entfalten ihre Wirkung allerdings zeitverzögert“, sagt Johannes Rath, Vorstand für des Ressorts Kunde, Service und Transformation. „Aber wir sind auf dem richtigen Weg.“ So solle die telefonische Erreichbarkeit sichergestellt und die digitale Nutzungsquote der Kunden erhöht werden. Erste Erfolge zeichnen sich ab: Lag die Quote der Dunkelverarbeitung im Krankenversicherungs-Bereich vor drei Jahren noch bei 25 Prozent, sind es nun 50 Prozent. „Das entspricht rund zwei Millionen Vorgängen“, sagt Rath. Bei den Lebensversicherungen würden inzwischen sogar schon 75 Prozent der Vorgänge dunkel verarbeitet.
Pilotprojekte mit Künstlicher Intelligenz
Der Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI) wird nach Einschätzung der Signal Iduna ebenfalls dazu beitragen, effizienter, agiler und kundenzentrierter zu arbeiten. Der Versicherer setzt dabei auf die Software Gemini seines Kooperationspartners Google. In zwei Pilotprojekten werden aktuell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Umgang mit KI herangeführt. Zum einen gehe es um den Umgang mit technischen Dialogsystemen. Chatbots werden bei der Signal Iduna mittelfristig für die automatisierte Bearbeitung von komplexen Kundenanfragen zum Einsatz kommen. Das zweite Projekt beschäftigt sich mit Wissensassistenz im Bereich der Krankenversicherung. Mithilfe smarter Tools ließen sich etwa konkrete Deckungsanfragen viel schneller als heute verlässlich beantworten.
Altersstruktur der Belegschaft verschärft Personalproblem
Die Sorge des Betriebsrats vor Arbeitsplatzverlusten durch den Einsatz von KI teilt Vorstands-Chef Leitermann nicht: „Wir stehen vor ganz anderen Problemen. Jedes Jahr verlieren wir altersbedingt 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir ersetzen müssen.“ Angesichts des Fachkräftemangels und eines sich verschärfenden Wettbewerbs um die Talente, versucht die Signal Iduna bewährte Kräfte in Teilzeit zu Mehrarbeit zu bewegen und ältere auch nach Renteneintritt weiter zu beschäftigen. In den kommenden zehn Jahren erreicht die Hälfte der aktuellen Belegschaft das Rentenalter.
Signal-Iduna-Chef erwartet Fertigstellung des Elbtowers
Keine Sorgen bereitet der Signal Iduna indes ihr Immobilienengagement bei der insolventen Signa-Gruppe. Bekanntestes Objekt ist der Elbtower in Hamburg, bei dem aktuell unklar ist, ob er fertig gebaut wird – oder in Erinnerung an den damaligen Hamburger Regierungschef und heutigen Bundeskanzler Scholz (SPD) unrühmlich als „Kurzer Olaf“ in die Annalen der Stadt eingehen wird. „Ich bin mir sicher, dass sich eine Investorengruppe mit dem erforderlichen Eigenkapital finden wird“, sagt Leitermann. Und macht gleichzeitig klar: „Wir sind nicht dabei.“
Signa-Pleite ist für die Signal Iduna gut zu verkraften
Die Pleite der österreichischen Signa macht sich in der Bilanz 2023 der Signal Iduna Gruppe minimal bemerkbar. „Wir haben einen Genussschein in Höhe von 50 Millionen Euro voll abgeschrieben“, sagt
der für Finanzen und Beteiligungen zuständige Signal-Iduna-Vorstand Martin Berger. Die Chance das Geld noch zu sehen, gehe gegen Null. Bei drei erstrangigen Anleihen im Wert von 108 Millionen Euro stünden die Chancen deutlich besser. Der Versicherer habe hier aber 70 Prozent Wertberichtigungen vorgenommen. Außerdem wurden auf
kleinere Projektfinanzierungen rund 70 Millionen Euro abgeschrieben, sagt Berger. Die Immobilienpleite habe die Rendite des Versicherers um 0,2 Prozentpunkte belastet. Ärgerlich – aber gut zu verkraften, so Signal-Iduna-Chef Leitermann: „Unter dem Strich haben unsere Versicherten mehr mit Signa verdient, als wir jetzt an Korrekturen haben.“