Haben Insurtechs ohne Partner eine Chance?
Insurtechs sind ambitioniert, aber viele Geschäftsmodelle erfüllen die selbstgesteckten Erwartungen nicht. Das hat auch die BaFin auf den Plan gerufen. Um Prämieneinnahmen nachhaltig zu steigern, sollten sich Start-ups Vertriebspartnerschaften öffnen, meint die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners.
In den vergangenen Jahren gab es auf dem europäischen und auch auf dem deutschen Versicherungsmarkt eine Vielzahl von Markteintritten durch Insurtechs. Die neuen Wettbewerber kommen in Gestalt von technologiegetriebenen Plattformentwicklern, Vertragsoptimierern oder Digitalversicherern. Damit sind aber auch nur einige Geschäftsmodelle der Start-ups genannt, die die Branche gehörig aufgemischt haben. Doch noch immer ist kaum ein Unternehmen in den schwarzen Zahlen. Das Berliner Insurtech Getsurance ging vergangenes Jahr bereits in die Insolvenz.
Unternehmensberatung sieht saturierten Versicherungsmarkt
Dennoch lockt der europäische Versicherungsmarkt nach wie vor ambitionierte Insurtechs an. Das sagt zumindest die global tätige Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. In einem Kommentar zur Marktentwicklung schreibt Frank Gehrig, Partner und Insurance Specialist des Unternehmens, dass das Ergebnis allerdings ernüchternd sei. Häufig blieben die Business-Pläne hinter den Erwartungen zurück. „Der Versicherungsmarkt ist saturiert und sehr wettbewerbsintensiv. Neben den großen Versicherern als Platzhirschen in etablierten Vertriebskanälen tummeln sich auch zahlreiche Digitalversicherer oder Aggregatoren im Markt. Dagegen haben es Newcomer ohne Markenbekanntheit schwer – vor allem, wenn sie auf Vertriebspartnerschaften verzichten“, so Gehrig. Insurtechs sollten sich daher Vertriebspartnern wie Maklern, Online-Maklern oder Vergleichsportalen öffnen – zumal das Umfeld für Neugründungen künftig immer herausfordernder werden dürfte.
Markenbekanntheit als Knackpunkt
Für die erfolgreiche Steigerung des Prämienvolumens sei Visibilität ein Schlüsselfaktor. „Nur mit ausreichend Markenbekanntheit funktioniert der Direktvertrieb. Viele Neueinsteiger sind hier allerdings zu optimistisch“, schreibt Gehrig und verweist auf das Beispiel des Unternehmens Lemonade. Das US-Insurtech verzichte in Deutschland auf Vertriebspartner und setze vollständig auf den Direktvertrieb. Allerdings unterlaufe die geringe Bekanntheit der Marke diese Strategie. Eine Blitzumfrage in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden habe gezeigt, dass nur gut fünf Prozent der 25- bis 50-Jährigen schon einmal von dem Unternehmen gehört habe oder wüssten, dass es sich überhaupt um eine Versicherung handele. „Die Prämieneinnahmen bewegen sich daher nach wie vor auf einem niedrigen Niveau von 0,39 Millionen Euro. Zum Vergleich: In ihrem Heimatmarkt kommt Lemonade auf ein vorzeigbares Prämienvolumen von 220 Millionen US-Dollar“, so Gehrig.
„Vertriebspartnerschaften sind die erfolgskritische Größe für Neueinsteiger“, betont Gehrig. Mit den passenden Partnerschaften und der Integration in Vergleichswebsites oder Online-Shops könnten Neueinsteiger ihre Stärken besser ausspielen und zusätzliches Prämienvolumen generieren. „Embedded Insurance“, wie es etwa Schutzklick, eine Marke der simplesurance GmbH aus Berlin, verfolgt, stelle daneben eine weitere Möglichkeit dar, das Prämienvolumen zu steigern. Allerdings sei der Wettbewerb hier sehr intensiv – diese Taktik müsse daher möglichst konsequent gefahren werden.
Vertriebspartner und klarer Fokus im Geschäftsmodell als Erfolgsfaktoren
Was für Insurtechs möglich sei, zeige Wefox Insurance, die in ihrer jüngsten Finanzierungsrunde sehr erfolgreich gewesen seien. „Wefox fährt eine etablierte Verkaufsstrategie und setzt beim Vertrieb sowohl auf Makler als auch auf exklusive Vertriebspartner. Gleichzeitig unterstützt das Insurtech diese mit digitalen Tools und Versicherungsprodukten. Das optimiert die Beratungsqualität, erhöht die Kundenzufriedenheit und reduziert die Vertriebskosten“, meint Gehrig. Und mit dem Sponsoring von Union Berlin verbessere Wefox seine Visibilität. Im Ergebnis stieg der Umsatz 2020 von 5,6 auf 34 Millionen Euro. Andere erfolgreiche Start-ups wie Clark oder Element fokussierten sich indes auf einzelne Positionen der Wertschöpfungskette in der Versicherung. Gehrig: „Clark verfolgt ein klares Geschäftsmodell als Online-Makler, während Element Speziallösungen für etablierte Versicherer entwickelt.“
Hürden werden durch BaFin-Regulatorik höher
Diese Erfolgsfaktoren würden umso mehr in einem Marktumfeld gelten, das immer herausfordernder wird. Gehrig verweist auf die Pläne der BaFin, die regulatorischen Daumenschrauben weiter anzuziehen. „Werden die Pläne so umgesetzt, müssen Insurtechs künftig mehr Kapital vorhalten und bereits an Tag Eins vollständig ausfinanziert sein. Das sind natürlich hohe Hürden“, meint der Experte. Ohne Vertriebspartnerschaft sei damit eigentlich jeder Business-Plan künftig zum Scheitern verurteilt. „Auch die traditionellen Versicherungshäuser schlafen nicht und wissen sich zu wehren. Sie lernen Schritt für Schritt von den Neueinsteigern und werden immer digitaler.“