Studie: Sind deutsche Versicherer reif für die Cloud?
Eine Befragung unter IT-Experten vor allem großer Sachversicherer will klären, wo die Branche in Sachen Cloud Computing steht. Fast drei Viertel haben hierfür eine entsprechende Strategie und über 80 Prozent verfolgen ambitionierte Ausbauziele. Noch bewegt sich der Cloud-Reifegrad aber auf einem Einführungs-Status.
Wie gut ist die Assekuranz hierzulande in Sachen Cloud-Computing aufgestellt? Das wollte das Technologieunternehmen Smart Communications in einer vor kurzem veröffentlichten Studie zum Cloud-Reifegrad deutscher Versicherungsunternehmen wissen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern, unter anderem dem Beratungsunternehmen Versicherungsforen Leipzig. Grundlage der Untersuchung ist eine Umfrage Anfang des Jahres unter 36 Experten aus dem IT-Bereich verschiedener (Sach-)Versicherungsunternehmen unterschiedlicher Größe, wobei solche ab 1000 Mitarbeitern den größten Anteil ausmachten. Die Befragten gaben laut der Studienmacher Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und Ziele der Cloud-Integration in ihren Häusern. Ein repräsentatives Bild dürfte die geringe Zahl der Befragten allerdings nicht zulassen.
Statistisches Bundesamt sieht 2021 immer noch geringe Verbreitung
Unternehmen nutzen Cloud-Computing für verschiedene Zwecke, insbesondere für die Speicherung von Dateien, das Arbeiten mit Office-Anwendungen und das Kommunizieren per E-Mail. Dass die Verbreitung aber noch ausbaufähig ist, zeigt eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes. 2021 nutzten demnach nur 28 Prozent der deutschen Unternehmen kostenpflichtige IT-Dienste über Cloud-Computing. Das entspricht einer Steigerung um sechs Prozentpunkte im Vergleich zu 2018. Dabei zeigt sich aber: Je größer die Unternehmen, desto häufiger setzen sie auf die Cloud: Während nur 26 Prozent in der mit Abstand größten Gruppe der Kleinstunternehmen (bis neun Mitarbeiter) Cloud-Services nutzen, sind es bei großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten schon 71 Prozent. Im europäischen Vergleich liegen deutsche Unternehmen beim Einsatz von Cloud-Computing damit im Mittelfeld.
Cloud-Strategien auf dem Vormarsch
Und das Thema gewinnt an Fahrt, so die Autoren. Bei den befragten Experten bzw. deren Unternehmen hat die Cloud-Nutzung, analog zu der vorrangig hohen Mitarbeiterzahl, bereits jetzt eine große Bedeutung. So verfügen 74,3 Prozent der Befragten über eine Cloud-Strategie. Das ist laut Smart Communications ein deutlicher Sprung nach vorne. In einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Lünendonk & Hossenfelder hätten 2018 nur 39 Prozent der deutschen Versicherungsunternehmen angegeben, bereits eine Cloud-Strategie entwickelt zu haben. „In Sachen Cloud-Nutzung hat sich in der Versicherungsbranche der Wind gedreht. Die Berührungsängste sind lange überwunden. Heute lassen sich die Fragen, welche Ressourcen wo genutzt werden, wunderbar sachlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutieren“, sagt Katja Wagenknecht, Leiterin Geschäftsbereich Unternehmenskommunikation bei der Versicherungsforen Leipzig GmbH.
Welchen Nutzen Cloud-Computing bringt
Warum das Thema wichtig ist, erklären die Studienautoren so: „Versicherungsunternehmen verfolgen mit ihrer Cloud-Strategie viele verschiedene Ziele. Die wichtigsten sind größere Flexibilität und leichtere Skalierbarkeit von IT-Anwendungen.“ Auch ein verbesserter Ressourceneinsatz sowie eine mögliche Verkürzung der Time-to-Market-Zeiten zählten zu den Hauptzielen. „Nicht nur die Pandemie hat in den letzten zwei Jahren gezeigt, wie sehr Flexibilität und Geschwindigkeit die Handlungsfähigkeit beeinflussen. Mit der Flutkatastrophe im Ahrtal haben insbesondere die Versicherungsunternehmen einen weiteren Ausnahmezustand erlebt, der ihnen eine besonders schnelle Reaktion abverlangt hat“, sagt Martin Suter, SVP of Product bei der SmartComms GmbH, die in Deutschland hinter Smart Communications steckt.
Schwieriger Ausbau nach erfolgreicher Einführung
Trotz allem stünden Versicherer mit Blick auf den Cloud-Reifegrad erst noch in den Startlöchern. Zusammengerechnet über 64 Prozent der Befragten sehen ihr Unternehmen auf der von den Autoren vorgegebenen Skala (0 bis 5) des Cloud-Reifegrads auf den Stufen 2 (Chancenbasiertes Lernen) und 3 (Systematische Einführung). Demnach habe die Branche die ersten Testballons erfolgreich absolviert und beginne nun, ihre Cloud-Fähigkeit auszuweiten und schrittweise zu systematisieren. Treiber seien die individuellen Bedarfe, die nun auf die gesamte Organisation ausgerollt werden. Als größte Herausforderungen zur nächsten Ausbaustufe wurden laut Studie insbesondere mangelndes internes Know-how, Bedenken hinsichtlich regulatorischer Anforderungen und der Datensicherheit genannt und eine vermutete hohe Komplexität bei der Umsetzung. Die Sorge vor einem unberechtigten Zugriff auf sensible Unternehmens- und Kundendaten bremse hierzulande noch die breitere Nutzung von Cloud-Lösungen.
Ambitionierte Ziele, die auch erforderlich sind
Dennoch wollen 41,2 Prozent der Versicherungsunternehmen laut der Experten-Befragung in den nächsten zwei bis fünf Jahren die Stufe 4 (Bereit für die Cloud) erreichen. Nach Definition der Studienautoren bedeutet das, dass Anwendungen Cloud-fähig sind und mit anderen Cloud-Services interagieren. Ebenso werden neue IT-Projekte für die Cloud konzipiert und begonnen verschiedene Cloud-Modelle zu nutzen (public, private, hybrid). Ebenfalls 41,2 Prozent streben sogar Stufe 5 (Optimierung der Cloud-Umgebung) in diesem Zeitraum an. Aktuell verorten sich auf diesem Level in Sachen Cloud-Reifegrad gerade einmal 3,6 Prozent. „Angesichts der vielfältigen Entwicklungen in den letzten Jahren ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich. Die Branche muss schneller innovieren, um auch in Zukunft profitabel zu wachsen”, sagt René Schönauer, Director Product Marketing, bei der Guidewire Software GmbH, die ebenfalls an der Studie mitgewirkt hat.