16.03.2020 Recht | Ratgeber

Berufsunfähigkeitsversicherung: Rente nach Gesundung des Versicherten?

Muss eine Berufsunfähigkeitsversicherung im Zweifel weiter leisten, wenn der Versicherte wieder gesund ist und arbeitet? Der Bundesgerichtshof hat hier laut VP-Experte Norman Wirth Klarheit geschaffen.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de). (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de).
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Sachverhalt.

Ein Versicherungskunde hatte im Dezember 2002 eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Ab Mai 2012 forderte er aufgrund einer psychischen Erkrankung Leistungen aus seiner BU-Versicherung. Der Kläger arbeitete als IT-Systemadministrator. Er litt seit April 2012 an einer sog. Double-Depression mit einer rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episode. Obwohl er im September 2015 wieder gesund war und einer Beschäftigung als SAP-Anwendungsbetreuer nachging, verlangte er, die BU-Rente auch über 2015 hinaus fortgezahlt zu bekommen.

Das Urteil.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hier zugunsten des Versicherten entschieden. Der BGH-Sachverständige bestätigte die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit für 2012 und 2013. Trotzdem erhielt der Versicherte bis einschließlich März 2017 Leistungen zugesprochen – denn die BU-Versicherung hatte erst im Rechtsstreit durch ihre Anwälte das vorgeschriebene Nachprüfungsverfahren erklärt. Auch wenn eine Berufsunfähigkeitsversicherung einem Kunden keine Leistungen zuerkannt hat, gilt: Den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit kann sie nur durch eine Änderungsmitteilung geltend machen. Diese muss den inhaltlichen Anforderungen an ein Nachprüfungsverfahren genügen.
Der Versicherer ist auch dann dazu verpflichtet, eine Änderungsmitteilung zu machen, wenn erst später in einem Rechtsstreit durch einen gerichtlichen Sachverständigen die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit festgestellt wird. Andernfalls muss der Versicherer weiterhin zahlen, obwohl der Kunde möglicherweise gar nicht mehr berufsunfähig ist – so die Grundsatzentscheidung der Bundesgericht (Az. IV ZR 124/18).

Die Expertenmeinung.

Im vorliegenden Fall bekam der Versicherungsnehmer die vereinbarte Rentenleistung über das Ende der eigentlichen Berufsunfähigkeit hinaus zugesprochen. Denn die BU-Versicherung hatte erst während des Rechtsstreits durch ihre Anwälte das in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Nachprüfungsverfahren erklärt und die erforderliche Vergleichsbetrachtung vorgenommen. Laut BGH gilt die Erklärung allerdings nicht rückwirkend, sondern nur in die Zukunft gerichtet: Ohne rechtzeitige Erklärung muss die Versicherung weiterhin zahlen – unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer inzwischen wieder gesund ist.

Der Ausblick.

Die Entscheidung des BGH führt zu weiterer Rechtssicherheit bei der Regulierung von Leistungsfällen in der BU-Versicherung. Sie stärkt vor allen Dingen die Rechte der Versicherungsnehmer.


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