Betriebsschließungen: Gericht macht Hoteliers und Gastronomen Hoffnung
Ein erstes Urteil zu Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie deutet an, dass Versicherer grundsätzlich leisten müssen. Eine individuelle Schließungsverfügung ist nicht erforderlich.VP-Experte Norman Wirth bezieht Position.
Der Fall.
In ihrem Antrag auf einstweilige Verfügung verlangte die Klägerin Zahlung aus der bestehenden Betriebsschließungsversicherung. Sie betreibt drei Hotels. Aufgrund der epidemischen Ausbreitung des Coronavirus war es per Allgemeinverfügung untersagt, touristische Übernachtungen anzubieten. Nicht touristische Übernachtungen konnten weiter angeboten werden. Die Klägerin schloss die Hotels dennoch, da nicht touristische Übernachtungen bei ihr regelmäßig nur in einem verschwindend geringen Umfang stattfanden.
Das Urteil.
Das Landgericht Mannheim (Az. 11 O 66/20) entschied zwar im Ergebnis vorläufig gegen die Klägerin, da die Anspruchshöhe nicht hinreichend dargelegt werden konnte und es auch an einem sogenannten Verfügungsgrund mangelte. Allerdings stellte das Gericht klar, dass der Klägerin aus den bestehenden Betriebsunterbrechungsversicherungen grundsätzlich ein Anspruch auf die vereinbarte Leistung zusteht. Eine individuelle Schließungsverfügung für die einzelnen Hotels sei nicht erforderlich. Der theoretisch mögliche Minimalbetrieb mit Geschäftsreisenden und gastronomischem Take-away- oder Lieferservice stehe dem ebenfalls nicht im Weg. Eine Teilschließung reiche aus. Letztlich handelte es sich bedingungsgemäß um eine faktische Schließung. Eine solche sei von den betreffenden Versicherungsbedingungen umfasst.
Die Folgen.
„Verbleibende Zweifel gehen zulasten der Versicherer“, so die Aussage der Mannheimer Richter. Diese Feststellung wird von Juristen seit Beginn der Debatte auch regelmäßig herausgestellt und lässt sich auf reine Gastronomiebetriebe übertragen. Das häufig von Versicherern vorgetragene Argument, dass unter Bezug auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Vertragsschluss unbekannte Erreger nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien, weist das Gericht zurück. Da der Versicherer es selbst in der Hand hatte, einen eindeutig abschließenden Katalog der Erreger aufzunehmen, sei auch Covid-19 von der – regelmäßig – dynamischen Bezugnahme auf die Paragrafen 6 und 7 des IfSG umfasst.
Die Bewertung.
Damit liegt eine erste klare Entscheidung zugunsten des betroffenen Hotel- und Gastronomiegewerbes vor. Die deutlichen Worte des Gerichts zu den Argumenten vieler Versicherer zeigen, dass in den allermeisten Fällen bedingungsgemäß Versicherungsschutz besteht. Die Zahlungsangebote von zehn bis 15 Prozent, fußend auf dem bayerischen Kompromiss, sind ein ärgerlicher Versuch vieler Versicherer, auch zulasten des Ansehens der ganzen Branche, sich von der häufig tatsächlich bestehenden Leistungspflicht zu befreien. Geschädigte Unternehmen sollten die Ablehnungen oder auch vermeintliche Kulanzangebote der Versicherer fachkundig prüfen lassen.