BU-Versicherung: Lebensstellung ist mehr als Einkommen
Die bisher juristisch umstrittene Frage, ob für den Vergleich das früher erzielte Einkommen auf den späteren Zeitpunkt der Verweisung fortzuschreiben ist, hat der BGH abschließend geklärt.
Der Fall.
Ein Versicherungsnehmer (VN) war nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Dachdeckerhelfer auszuüben. Aus einer BU-Versicherung erhielt er die vereinbarte Rente und nahm später in Teilzeit eine kaufmännische Tätigkeit auf. Nach vier Jahren überprüfte der Versicherer seine Leistungspflicht. Er kam zu dem Ergebnis, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen der aktuellen mit dem der früheren Tätigkeit vergleichbar sei, und stellte die Rentenzahlung daraufhin ein.
Der Rechtsstreit.
Die Frage war nun: Darf die Versicherung statisch das vor vielen Jahren verdiente Einkommen eines VN noch Jahre später zur Vergleichsbetrachtung heranziehen, ohne die Einkommensentwicklung zu berücksichtigen? Nachdem das LG Gera (Az. 2 O 1540/12) die Klage des VN abgewiesen hatte, gab das Berufungsgericht OLG Jena (Az. 4 U 699/13) ihm recht. Der Fall landete schließlich vor dem BGH (Az. IV ZR 19/18), der das Urteil zwar aufhob, die Sache zur Entscheidung aber ans OLG Jena zurückverwies. Doch zu einem weiteren Prozess kam es nicht, vermutlich verglichen sich die Parteien.
Die Bewertung.
Für die Feststellung hinnehmbarer Einkommensunterschiede kommt es laut Gericht entscheidend auf das Einkommen an, das die Lebensstellung des VN zuletzt als Dachdeckerhelfer geprägt hatte. Nicht entscheidend sei, welches Einkommen er in der Gegenwart fiktiv als Dachdeckerhelfer würde erzielen können. Wenn ein besonders langer Zeitraum zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und der Nachprüfung liegt und dadurch eine Vergleichbarkeit des Einkommens mit der Lebensstellung nicht mehr möglich ist, lässt der BGH grundsätzlich auch eine andere Bewertung zu. Im konkreten Fall allerdings reichte die Argumentation des Klägers nicht. So hatte das OLG sein Einkommen einfach fortgeschrieben, als hätte er regelmäßig Tariflohnerhöhungen erhalten. Dabei hatte das Gericht noch nicht einmal festgestellt, inwieweit der letzte erzielte Lohn als Dachdeckerhelfer auch tatsächlich seine Lebensstellung prägte. Die Erwerbsbiografie des Klägers hatte bei Eintritt der Berufsunfähigkeit nämlich durchaus Brüche. Sie war zuweilen durch Zeiten der Arbeitssuche unterbrochen. Das müsse bei der Beurteilung der Lebensstellung ebenfalls berücksichtigt werden.
Das Fazit.
Wenn eine Nachprüfung der Berufsunfähigkeit durch den Versicherer erfolgt, ist es immer eine gute Idee, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen. So kann auch schon im Nachprüfungsverfahren auf die Darlegung und den Nachweis der zu vergleichenden Lebensstellungen und Einkommensverhältnisse eingewirkt werden. Selbst wenn sich der Versicherer am Ende nicht erweichen lässt, kommt es dann auf einen plausiblen und nachprüfbaren Vortrag vor Gericht an.