24.04.2023 Recht | Ratgeber

Hinweispflichten: Rasend schnell in der Haftung

Je nach Anlass unterliegen Versicherungsvertreter besonderen Beratungs- und Hinweispflichten – so auch im konkreten Fall, in dem der Versicherte einem besonders gefährlichen Hobby nachging. Wie die VP-Rechtsexperten Jem Schyma und Raimund Mallmann das Urteil bewerten.

Foto der Anwälte Jem Schyma und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte (Foto: WILHELM Rechtsanwälte )
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Raimund Mallmann und von der Düssel­dorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte )

Der Fall.

Dem Versicherungsvertreter eines Freizeit-Motorsportlers war bekannt, dass sein Kunde regelmäßig im Motorradgespann an gefährlichen Grasbahnrennen in holprigem Gelände teilnahm. Ebenso wusste er, dass die Unfallversicherung, die er seinem Kunden verkaufte, Unfälle im Zusammenhang mit Motorsportrennen ausdrücklich ausschloss. Doch wusste auch der Kunde von dieser Klausel?
Es kam, wie es kommen musste: Bei einem Rennen erlitt der Versicherungsnehmer einen Unfall, der schwerwiegende Verletzungen mit einem Invaliditätsgrad von 80 Prozent zur Folge hatte. Die vom Versicherungsnehmer geforderte Invaliditätsleistung in Höhe von 165 000 Euro wollte der Unfallversicherer jedoch mit Verweis auf den Motorsport-Ausschluss im Versicherungsvertrag nicht zahlen. Daraufhin verlangte der Versicherungsnehmer den Betrag vom Versicherungsvertreter ersetzt. Der Vertreter hätte ihn schließlich auf den Ausschluss hinweisen müssen.

Das Urteil.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. gab dem Versicherungsnehmer recht (Az. 7 U 168/16). Hinweispflichten bestünden zwar nicht generell (anlasslos). Versicherungsvertreter müssten nicht von sich aus auf jedweden Risikoausschluss hinweisen. Denn wer eine Versicherung abschließe, müsse mit dem Bestehen von Risikoausschlüssen rechnen. Jedoch entstünden im Einzelfall Hinweispflichten, wenn für den Versicherungsvertreter ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherungsnehmers erkennbar sei – etwa wenn die Möglichkeit naheliegt, dass der Versicherungsnehmer eine falsche Vorstellung vom Umfang des Versicherungsschutzes hat.
Eine solch naheliegende Möglichkeit bestand hier nach Auffassung der OLG-Richter, nachdem die Unfallversicherung das Hauptunfallrisiko des Versicherungsnehmers nicht abdeckte und der Vertreter unstreitig vom gefährlichen Hobby des Kunden wusste. Es stehe auch mangels entsprechender Dokumentation nicht fest, dass der Versicherungsvertreter seinen Kunden auf den Deckungsausschluss hingewiesen habe. Dass er mündlich erwähnte, Motorsport sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst, konnte der Vertreter nicht beweisen. Im Ergebnis hat er seinem geschädigten Kunden im Rahmen der Quasideckung die Invaliditätsleistung in voller Höhe zu zahlen.

Der Ausblick.

Versicherungsvertreter müssen ihre Kunden nicht über alle denkbaren Eventualitäten aufklären. Gibt es jedoch einen konkreten – dem Vertreter bekannten – Beratungsanlass, so treffen den Vertreter Hinweispflichten, bei deren Verletzung er für den Schaden geradestehen muss.


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