Krankentagegeld: Wann liegt eine Berufsunfähigkeit vor?
Die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit ist der Maßstab, um eine Berufsunfähigkeit gemäß Musterbedingungen beurteilen zu können. Auf eine mögliche Umorganisation kommt es nicht an. Die Hintergründe zu einem BGH-Urteil erklären die Rechtsanwälte und VP-Experten Ostheim und Klaus.
Der Fall.
Die Klägerin war als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis tätig und führte dort vor allem chirurgische Eingriffe durch. Infolge einer Hirnblutung konnte sie diese Operationen nicht mehr vornehmen. Die Praxis sollte daraufhin grundlegend umstrukturiert werden und die Ärztin im Wesentlichen nur noch im Rahmen von Beratungen tätig sein.
Der Rechtsstreit.
Der Krankentagegeldversicherer stellte die Leistungen unter Hinweis auf Berufsunfähigkeit gemäß seiner Musterbedingungen (§ 15 Abs. 1 b MB/KT) ein. Die Ärztin meinte, für eine Berufsunfähigkeit komme es auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit an. Die berufliche Tätigkeit als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis hätte sie nach Umstrukturierung der Praxis ohne die weiteren Erkrankungen im fraglichen Zeitraum ausüben können.
Die Entscheidung.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der BGH (Az. IV ZR 422/15) hebt hervor, dass in der Krankentagegeldversicherung bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit der versicherten Person in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich und die Möglichkeit einer Umorganisation nicht zu berücksichtigen sei. Der Krankentagegeldversicherung ist eine Verweisung auf eine Umorganisation der Arbeitsabläufe fremd. Der Wortlaut der Musterbedingungen, der auf den „bisher ausgeübten Beruf“ abstellt, lässt nicht offen, ob darunter der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung oder nur ein allgemeines Berufsbild zu verstehen ist. Der durchschnittliche, um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer versteht laut BGH unter den beiden Begriffen dasselbe, nämlich den Beruf in seiner konkreten Ausprägung, so wie die versicherte Person ihn zuletzt ausgeübt hat. Entscheidend ist, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung seiner bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann.
Der Ausblick.
Der Beschluss des BGH führt die bisherige Rechtsprechung konsequent fort. Es kommt gerade nicht darauf an, dass sich die berufliche Tätigkeit als solche nach dem allgemeinen Berufsbild bestimmt. Der Versicherungsfall in der Krankentagegeldversicherung wird daher nicht durch eine Gleichsetzung des Begriffs der beruflichen Tätigkeit mit dem des Arbeitsplatzes bestimmt. Die klare Trennung zwischen Beruf und Arbeitsplatz erleichtert den Umgang mit der Berufsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung und die Bewertung der vertraglichen Ansprüche