24.02.2025 Recht | Ratgeber

Kündigungsfrist in der Insolvenz

Was, wenn die Versicherungsbedingungen ein automatisches Vertragsende bei Insolvenzantrag des Versicherungsnehmers vorsehen? Der BGH musste hier für Klarheit sorgen. FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, warum das Urteil für Unternehmen so bedeutsam ist.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com). (Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
(Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

Der Fall.

Die Versicherungsnehmerin (VN) und ihr Vorstand schlossen 2014 D&O Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen ab. Die Beendigungsklausel laut Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) Ziffer II.5.b) sah ein automatisches Ende des Vertrages mit dem Ablauf der Versicherungsperiode vor, in welcher die Eröffnung des Insolvenzverfahren beantragt wurde. Im Streitfall wurde der Insolvenzantrag im Jahr 2015 gestellt und 2016 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der VN eröffnet. 2019 nahm der Insolvenzverwalter den Vorstand auf Schadenersatz in Anspruch, ließ sich dessen Ansprüche gegen den Versicherer (VR) abtreten und forderte diese 2020 konkret ein. Der Versicherer wies alle Forderungen zurück. Er hätte dem Insolvenzverwalter schon 2016 mitgeteilt, dass der Versicherungsvertrag nach Stellung des Insolvenzantrags mit Ablauf der Versicherungsperiode 2015 geendet habe. Es kam zum Streit.

Der Rechtsstreit.

Das OLG Frankfurt am Main verwarf die Klage des Insolvenzverwalters (Az. 3 U 113/22). Die Beendigungsklausel sei nicht wegen eines Verstoßes gegen die InsO nach § 134 BGB (Unentgeltliche Leistung) unwirksam. Das Versicherungsunternehmen hätte den Vertrag ja ohnehin zum Ende der Versicherungsperiode gemäß § 11 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) kündigen können. Dieser besagt, dass die Kündigungsfrist für beide Vertragsparteien eines Versicherungsvertrages gleich sein muss. Sie darf nicht weniger als einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen. Darauf, dass die Beendigungsklausel zu einem automatischen Ende führe, komme es nicht an.

Das Urteil.

Der Bundesgerichtshof sah das anders. Eine Klausel in den AVB einer D&O-Versicherung, die ohne Berücksichtigung der sich aus § 11 VVG ergebenden Mindestkündigungsfrist das automatische Ende des Versicherungsvertrages mit dem Ablauf der Versicherungsperiode (hier: bei Antrag auf Insolvenzverfahren) vorsieht, ist unwirksam. Sie verstoße gegen das Verbot des § 18 VVG. Das Gericht stellte auch klar, dass die Beendigungsklausel durch Gerichte geprüft werden könne (Az. IV ZR 151/23).

Das Fazit.

Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für D&O-Versicherungen bei Unternehmensinsolvenzen. § 11 VVG soll dem VN einen gewissen Zeitraum für die Suche nach neuem Versicherungsschutz sichern. Mit der Normierung von Mindestkündigungsfristen beabsichtigt der Gesetzgeber den Schutz des Vertragspartners. Ihm soll so die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses einstellen zu können.


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