05.09.2024 Recht | Ratgeber

Lebensversicherung: Streit um Rückabwicklung nach 16 Jahren

Fehlerhafte Widerspruchsbelehrung: Der Bundesgerichtshof musste klären, ob ein Versicherter auch nach vielen Jahren noch den Vertrag  widerrufen durfte – oder damit gegen Treu und Glauben verstößt.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Ein Verbraucher schloss im Jahr 2004 einen Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Der Versicherer übersandte ihm ein Begleitschreiben zum Versicherungsschein, zu den Verbraucherinformationen und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Dieses enthielt auch wichtige Hinweise. Einer davon besagte, dass innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Vertrag widersprochen werden kann.
Nachdem der Versicherte im November 2016 eine Teilkapitalabfindung in Anspruch genommen hatte, erklärte er im Oktober 2020 den Widerspruch vom Versicherungsvertrag wegen fehlerhafter Widerspruchsbelehrung. So seien die fristauslösenden Unterlagen nicht zutreffend bezeichnet. Dies wurde vom Versicherer zurückgewiesen. Es kam zum Prozess.

Der Streit.

Vor Gericht verlangte der Versicherte die Auszahlung des angesparten Fondsguthabens, die Rückzahlung von Nicht-Sparanteilen nebst Nutzungsentschädigung unter Anrechnung des faktischen Versicherungsschutzes und der ausgezahlten Kapitalabfindung. Der Streitwert belief sich auf insgesamt 13 181,37 Euro. Das Landgericht wies in der ersten Instanz die Klage ab, das OLG Frankfurt am Main wies die Berufung zurück. So habe der Versicherte mit der Inanspruchnahme der Teilabfindung eine beabsichtigte Fortführung des Vertrages suggeriert. Dies rechtfertige laut OLG einen Ausschluss des Widerspruchsrechts im Sinne des § 242 BGB (Treu und Glauben).

Die Revision.

Das sah der BGH anders. Auch wenn bei fehlender oder fehlerhafter Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechts nach Ablauf der gesetzlichen Frist in anderen Verfahren als Verstoß gegen § 242 BGB gewertet wurde, bedürfe es im Einzelfall gravierender Umstände für einen Verstoß gegen „Treu und Glauben“. Diese seien jedoch gerichtlich festzustellen, was hier nach Ansicht des BGH nicht ausreichend passiert ist.

Das Fazit.

Auch lange nach Verstreichen der Widerrufsfrist kann ein Versicherter einen Vertrag widerrufen – selbst wenn sein Verhalten bis dahin nahegelegt hat, dass er dem Vertrag zustimmt. Ob dabei ein treuwidriges Verhalten vorliegt, muss vom Gericht im Einzelfall nachgewiesen werden. Erfreulich für Verbraucher: Eine Renditeoptimierung wie im vorliegenden Fall stellt keinen besonders gravierenden Umstand dar.
Betroffene sollten sich im Vorfeld mit einem Fachanwalt für Versicherungsrecht absprechen und abklären, ob eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung vorliegt. Der Jurist prüft außerdem, ob gravierende Umstände vorliegen, die einem Widerspruch nach Fristablauf entgegenstehen. 


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