Muss Versicherung an Verkehrsrowdy zahlen?
Ein Autofahrer crashte seinen Sportwagen nach einem missglückten Drift-Versuch. Bei grober Fahrlässigkeit wäre der Versicherer in der Pflicht, bei Vorsatz nicht. Das Landgericht Coburg hatte hier eine klare Meinung. VP-Experte Norman Wirth erklärt, was das Urteil für Autofahrer bedeutet.
Der Fall.
Ein Mann fuhr in Begleitung seines Beifahrers mit seiner Chevrolet Corvette in einem Kreisverkehr. Aus Imponiergehabe wollte er zeigen, was er fahrerisch so „drauf hat“ und versuchte den Kreisel durch bewusstes Durchdrehen der Räder gleich zweimal mit einem Drift zu umrunden. Dabei verlor er jedoch die Kontrolle über das Fahrzeug und prallte gegen einen Bordstein sowie eine dahinter gelegene Mauer. Zwar kam bei dem Malheur niemand zu Schaden, doch der teure Sportwagen wurde durch den Aufprall stark beschädigt.
Der Rechtsstreit.
Der Versicherungsnehmer wollte den entstandenen erheblichen Sachschaden von seiner Vollkaskoversicherung erstattet bekommen. Der Versicherer verweigerte jedoch die Zahlung. Er argumentierte, dass der Unfall durch vorsätzliches Verhalten verursacht worden sei, was nicht durch den Versicherungsschutz abgedeckt sei. Zudem enthalte der Versicherungsvertrag eine Klausel, die Schäden im Zusammenhang mit Rennen ausschließe. Der Autofahrer verklagte daraufhin seinen Versicherer auf Zahlung.
Das Urteil.
Vor dem Landgericht Coburg bekam er Recht (Az. 24 O 366/23). Das Gericht stellte fest, dass der Versicherer im Vertrag auf den Einwand grober Fahrlässigkeit verzichtet habe. Grobe Fahrlässigkeit sei in diesem Fall zwar gegeben, Vorsatz jedoch nicht. Die Motivation für das Driften im Kreisverkehr sei vielmehr „Fahrspaß“ gewesen. Dieser Beweggrund spreche gegen die Inkaufnahme einer Beschädigung des Fahrzeugs. Zudem gebe es zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger darauf vertraut habe, das Driftmanöver erfolgreich durchzuführen, um seinen Beifahrer zu beeindrucken. Mit dem Unfall sei diese Absicht jedoch zunichtegemacht worden. Auch sei das Vertrauen des Klägers in den wohlbehaltenen Ausgang des Fahrmanövers aufgrund des recht großzügig angelegten Kreisverkehrs nicht völlig unrealistisch gewesen.
Der Einwand des Versicherers, es habe sich um ein Rennen im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt, wurde vom Gericht ebenfalls zurückgewiesen. Ein Rennen liege nicht vor, weil das Fahrzeug des Klägers das Einzige in der Umgebung gewesen sei.
Die Bewertung.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass auch risikoreiche Fahrmanöver unter bestimmten Umständen vom Versicherungsschutz abgedeckt sind, sofern keine vorsätzliche Schadensverursachung nachweisbar ist. „Sportliche“ Autofahrer sollten die Entscheidung aber keinesfalls als Freifahrtschein betrachten. Denn: Je gefährlicher das Manöver, desto eher werden die Gerichte von einer – nicht versicherten – vorsätzlichen Handlung ausgehen.