Private Unfallversicherung: Klausel zur erhöhten Kraftanstrengung wirksam
Versicherer definieren, dass eine erhöhte Anstrengung erforderlich sein muss, damit zugezogene Verletzungen auch als Unfall anerkannt werden. Das BGH hat die Klausel für rechtens erklärt. Die Hintergründe kennt VP-Experte Dr. Markus Weyer.
Die Ausgangslage.
In der privaten Unfallversicherung regeln die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen, welche Verletzungen einem Unfall gleichgestellt sind. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer (VN) durch „erhöhte Kraftanstrengung“ an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln zerrt oder zerreißt. Was ist aber eine „erhöhte Kraftanstrengung“?
Der Fall.
Ein Verbraucherverband nahm einen Versicherer (VR) auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung „erhöhte Kraftanstrengung“ in dessen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2010) in Anspruch. Die Formulierung „erhöhte Kraftanstrengung“ verstoße gegen das Transparenzgebot und sei unwirksam.
Der Rechtsstreit.
Der Verband forderte den VR zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was dieser ablehnte. Es kam zum Streit. Das LG Dortmund (Az. 2 O 259/16) und das OLG Hamm (Az. I-6 U 104/17) wiesen die Klage des Verbands ab. Die Klausel verstoße nicht gegen das Transparenzgebot. Die Grenzen des Begriffs „erhöhte Kraftanstrengung“ seien zwar je nach Person und Situation unterschiedlich und nicht leicht fassbar. Das sei aber typisch für jeden seiner Natur nach nicht fest zu umschreibenden Lebenssachverhalt.
Das Urteil.
Das vorinstanzliche Urteil wurde vom BGH bestätigt (Az. IV ZR 159/18). Die Formulierung „erhöhte“ Kraftanstrengung“ in den AUB 2010 ist nicht intransparent. Der durchschnittliche VN orientiert sich am Wortlaut und ordnet das Adjektiv „erhöhte“ dem Substantiv „Kraftanstrengung“ zu. Anstrengung ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine starke Beanspruchung der Kräfte. Der VN wird erkennen, dass die Klausel eine qualifizierte Form von Muskeleinsatz verlangt, die über das Maß alltäglicher Tätigkeiten hinaus, gesteigert sein muss. Insoweit sind körperliche Bewegungen oder Tätigkeiten des täglichen Lebens, die zwar einen gewissen Muskeleinsatz, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung keine bemerkenswerte Anstrengung erfordern, nicht erfasst. Dazu zählen zum Beispiel: Gehen, Laufen, Aufstehen, Hocken oder Bücken.
Der Ausblick
Die in vielen AUB enthaltene „Unfallfiktion“ bei erhöhter Kraftanstrengung ist damit juristisch bestätigt. Nach Ansicht des BGH kommt es auch nicht darauf an, ob die erhöhte Kraftanstrengung nur einmalig oder – etwa anlässlich beruflicher oder sportlicher Betätigung – häufig oder regelmäßig ausgeübt wurde. Der BGH konnte auch keine unangemessene Benachteiligung des VN erkennen, die vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 178 VVG (Leistung des Versicherers) abweicht.