16.12.2019 Recht | Ratgeber

Private Unfallversicherung: Klausel zur erhöhten Kraftanstrengung wirksam

Versicherer definieren, dass eine erhöhte Anstrengung erforderlich sein muss, damit zugezogene Verletzungen auch als Unfall anerkannt werden. Das BGH hat die Klausel für rechtens erklärt. Die Hintergründe kennt VP-Experte Dr. Markus Weyer.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).

Die Ausgangslage.

In der privaten Unfallversicherung regeln die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen, welche Verletzungen einem Unfall gleichgestellt sind. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer (VN) durch „erhöhte Kraftanstrengung“ an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln zerrt oder zerreißt. Was ist aber eine „erhöhte Kraftanstrengung“?

Der Fall.

Ein Verbraucherverband nahm einen Versicherer (VR) auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung „erhöhte Kraftanstrengung“ in dessen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2010) in Anspruch. Die Formulierung „erhöhte Kraftanstrengung“ verstoße gegen das Transparenzgebot und sei unwirksam.

Der Rechtsstreit.

Der Verband forderte den VR zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was dieser ablehnte. Es kam zum Streit. Das LG Dortmund (Az. 2 O 259/16) und das OLG Hamm (Az. I-6 U 104/17) wiesen die Klage des Verbands ab. Die Klausel verstoße nicht gegen das Transparenzgebot. Die Grenzen des Begriffs „erhöhte Kraftanstrengung“ seien zwar je nach Person und Situation unterschiedlich und nicht leicht fassbar. Das sei aber typisch für jeden seiner Natur nach nicht fest zu umschreibenden Lebenssachverhalt.

Das Urteil.

Das vorinstanzliche Urteil wurde vom BGH bestätigt (Az. IV ZR 159/18). Die Formulierung „erhöhte“ Kraftanstrengung“ in den AUB 2010 ist nicht intransparent. Der durchschnittliche VN orientiert sich am Wortlaut und ordnet das Adjektiv „erhöhte“ dem Substantiv „Kraftanstrengung“ zu. Anstrengung ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine starke Beanspruchung der Kräfte. Der VN wird erkennen, dass die Klausel eine qualifizierte Form von Muskeleinsatz verlangt, die über das Maß alltäglicher Tätigkeiten hinaus, gesteigert sein muss. Insoweit sind körperliche Bewegungen oder Tätigkeiten des täglichen Lebens, die zwar einen gewissen Muskeleinsatz, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung keine bemerkenswerte Anstrengung erfordern, nicht erfasst. Dazu zählen zum Beispiel: Gehen, Laufen, Aufstehen, Hocken oder Bücken.

Der Ausblick

Die in vielen AUB enthaltene „Unfallfiktion“ bei erhöhter Kraftanstrengung ist damit juristisch bestätigt. Nach Ansicht des BGH kommt es auch nicht darauf an, ob die erhöhte Kraftanstrengung nur einmalig oder – etwa anlässlich beruflicher oder sportlicher Betätigung – häufig oder regelmäßig ausgeübt wurde. Der BGH konnte auch keine unangemessene Benachteiligung des VN erkennen, die vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 178 VVG (Leistung des Versicherers) abweicht.


Weitere Artikel

Listing

04.11.2024 Recht | Ratgeber

Umstrittene Generalklausel: BGH bringt Klarheit

Können Versicherer pauschal die Einhaltung „aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften“ verlangen? Das war lange umstritten. Nun hat der Bundesgerichtshof Stellung genommen. Die VP-Experten Schyma und Mallmann erläutern, was das Urteil für Versicherte bedeutet.

> weiterlesen
Listing

21.10.2024 Recht | Ratgeber

Fitter Fußballprofi erhält weiterhin BU-Rente

Weil ein Fußballer wieder genesen war, verweigerte ihm seine Berufsunfähigkeitsversicherung weitere Leistungen. Eigentlich ein klarer Fall. Doch ein Formfehler verhalf dem Kicker zum Sieg vor Gericht. FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experte Norman Wirth erklärt, wie es dazu kam.

> weiterlesen
Listing

07.10.2024 Recht | Ratgeber

Darf der Versicherer Überschüsse anpassen?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Zulässigkeit unterschiedlicher Überschusszuteilungen in der privaten Rentenversicherung entschieden. FOCUS MONEY-Versicherungsprofi-Experte Dr. Markus Weyer erklärt, warum Versicherer das Urteil freuen dürfte.

> weiterlesen