30.09.2019 Recht | Ratgeber

Rechtsschutzversicherung: Klausel zur Schadenminderung intransparent

Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer eine Weisung von ihm missachtet. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Bedingungen nicht ausreichend klar waren. Das BGH-Urteil analysiert VP-Experte Dr. Markus Weyer.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).

Der Fall.

Ein Versicherungsnehmer (VN) besitzt eine nach den Allgemeinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen (ARB) 2010 geschlossene Rechtsschutzversicherung (RSV). Nach Eintritt des Versicherungsfalls beauftragte er einen Rechtsanwalt. Dieser erbat eine Kostendeckungszusage für ein Sachverständigengutachten, welche der Versicherer (VR) mit dem Hinweis erteilte, dass „bedingungsgemäß … Kostenschutz für ein Sachverständigengutachten“ erteilt werde. Der Anwalt beauftragte aber einen anderen Gutachter als vom VR verlangt. Dieser berechnete für seine Dienstleistung 700 Euro. Der VR erstattete daraufhin allerdings nur 500 Euro. Mehr sei nicht zu erstatten, da für den von ihm benannten Sachverständigen nur 400 Euro angefallen wären. Dem hielt der VN entgegen, dass das nicht klar zu erkennen gewesen sei. Es kam zum Streit.

Der Rechtsstreit.

Das Amtsgericht Heilbronn (Az. 10 C 1012/16) und das Landgericht Heilbronn (Az. 4 S 35/16) wiesen die Klage des VN ab. Der VR sei gemäß § 17 ARB 2010 und § 82 VVG leistungsfrei. Der VN habe durch die Beauftragung eines anderen Sachverständigen gegen die Weisung des VR und seine Verpflichtung zur Schadensminderung verstoßen. Der VN hätte kostenorientierte Weisungen zu befolgen, so die Richter. Die Klausel sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, wenn eine Weisung des Versicherers im Raum stehe.

Die Revision.

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Revision des VN statt (Az. IV ZR 279/17). Die Schadensminderungsklausel des § 17 Abs. 1 c) bb) der ARB 2010 ist im vorliegenden Fall intransparent. Begründung: Der durchschnittliche VN erkennt zwar, dass er Weisungen des Versicherers einzuholen und zu befolgen sowie seinen Rechtsanwalt dementsprechend zu beauftragen hat. Er wird danach aber nur Weisungen für relevant halten, soweit er nach Maßgabe aller zuvor angestellten Erwägungen für die Minderung des Schadens zu sorgen hat. Der um Verständnis bemühte VN kann aber nicht erkennen, welches bestimmte Verhalten von ihm verlangt wird, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Mit diesem Inhalt wird die Klausel dem Erfordernis des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nach ausreichender Transparenz nicht gerecht und ist deshalb unwirksam.

Der Ausblick

Das jetzige Urteil des BGH ist bemerkenswert, denn der VR hatte noch vor der mündlichen Verhandlung des BGH versucht, die Sache durch Anerkenntnis ohne Aufsehen vom Tisch zu bekommen. Allerdings hatte der VR hier vergessen, dass ein Anerkenntnisurteil, in dem der BGH seine Rechtsansicht nicht darlegt, nur dann ergeht, wenn der Kläger das beantragt. Das aber hatte der VN hier nicht getan. Damit kam die Katze doch noch aus dem Sack.


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