Streit um Klausel: Können PKV-Kunden auf Beitragsrückzahlungen hoffen?
Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung stehen derzeit in mehreren Verfahren auf dem Prüfstand. Bisher sieht es nicht gut für die Versicherungsbranche aus. Das neue Experten-Duo von VP-Online, die Rechtsanwälte Oliver Klaus und Oliver Ostheim, ordnen die bisherigen Urteile ein.
Die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. In den vergangenen Monaten sorgten zahlreiche Urteile für Wirbel, die klagenden PKV-Kunden recht gaben und diese auf Rückzahlungen hoffen lassen. Die Rechtsprechung bezog sich in den bisherigen Fällen auf die nicht ausreichende schriftliche Begründung der Beitragserhöhung durch den Versicherer (§ 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz). Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Januar 2020 (Az. 9 U 138/19) gegen die AXA liegt derzeit dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor. Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung des BGH erscheint es wahrscheinlich, dass die strengen Anforderungen an die Begründung einer Beitragserhöhung bestätigt werden.
Schwellenwert entscheidet über Zulässigkeit der Beitragserhöhung
Nun droht den Versicherern sogar noch mehr Ärger. Diesmal geht es um die sogenannten auslösenden Faktoren bei Beitragserhöhungen. Hintergrund: Nach den gesetzlichen Vorschriften ist eine Erhöhung nur dann möglich, wenn eine Abweichung von mehr als zehn Prozent zwischen den jährlich erforderlichen und den jährlich kalkulierten Versicherungsleistungen vorliegt und diese Veränderung nicht nur vorübergehend ist. Im Kern geht es also um unerwartete Mehrausgaben. In der Branche weit verbreitet sind jedoch Verträge, in denen geregelt ist, dass der Beitrag bereits bei einem Schwellenwert von fünf Prozent angehoben werden darf.
In einem nun vom Landgericht Bonn entschiedenen Fall hatte ein Kunde der ERGO-Tochter DKV mit einem solchen Vertrag geklagt. Er musste über die Jahre mehrere Beitragserhöhungen hinnehmen und machte Rückforderungsansprüche von zu viel geleisteten Beiträgen geltend. Dabei berief er sich auf die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen, da der erforderliche Schwellenwert von zehn Prozent nicht überschritten worden sei. Die Versicherung interpretierte den Zehn-Prozent-Faktor lediglich als eine Obergrenze, sodass abweichende Vereinbarungen zulässig seien. Das Gericht sah das indes nicht so und gab dem Kläger recht. Die Tariferhöhungen seien „unwirksam, weil die Voraussetzungen für die Einleitung von Beitragsanpassungen nicht vorlagen“. Bei den vorgelegten Faktoren habe es sich lediglich um Leistungssteigerungen von 6,8 bzw. 6,5 Prozent gehandelt und damit um weniger als die gesetzlich festgelegten zehn Prozent (Az. 9 O 396/17).
Urteil könnte massive Auswirkungen auf die Branche haben
Die beklagte Versicherung hat bereits Berufung eingelegt. Im Hinblick auf die eher strenge Rechtsprechung des für die Berufung zuständigen OLG Köln ist zu erwarten, dass das erstinstanzliche Urteil Bestand hat. Im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung wären die Versicherer massiven Regressansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt. Die Auswirkungen für die gesamte Branche wären immens – wobei die Frage der Verjährung eines solchen Regressanspruches noch nicht abschließend geklärt ist. Ob hier drei Jahre oder zehn Jahre greifen, muss durch die Rechtsprechung noch entschieden werden. Es bleibt spannend.