15.10.2020 Recht | Ratgeber

Streit um Klausel: Können PKV-Kunden auf Beitrags­rück­zahlungen hoffen?

Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung stehen derzeit in mehreren Verfahren auf dem Prüfstand. Bisher sieht es nicht gut für die Versicherungsbranche aus. Das neue Experten-Duo von VP-Online, die Rechtsanwälte Oliver Klaus und Oliver Ostheim, ordnen die bisherigen Urteile ein.

Experten-Duo: Oliver Klaus (l.) und Oliver Ostheim sind Profis in Sachen Versicherungsrecht: www.ok-rechtsanwaelte.de (Foto: OK Rechtsanwälte)
Experten-Duo: Oliver Klaus (l.) und Oliver Ostheim sind Profis in Sachen Versicherungsrecht: www.ok-rechtsanwaelte.de
(Foto: OK Rechtsanwälte)

Die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema. In den vergangenen Monaten sorgten zahlreiche Urteile für Wirbel, die klagenden PKV-Kunden recht gaben und diese auf Rückzahlungen hoffen lassen. Die Rechtsprechung bezog sich in den bisherigen Fällen auf die nicht ausreichende schriftliche Begründung der Beitragserhöhung durch den Versicherer (§ 203 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz). Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Januar 2020 (Az. 9 U 138/19) gegen die AXA liegt derzeit dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor. Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung des BGH erscheint es wahrscheinlich, dass die strengen Anforderungen an die Begründung einer Beitragserhöhung bestätigt werden.

Schwellenwert entscheidet über Zulässigkeit der Beitragserhöhung

 

Nun droht den Versicherern sogar noch mehr Ärger. Diesmal geht es um die sogenannten auslösenden Faktoren bei Beitragserhöhungen. Hintergrund: Nach den gesetzlichen Vorschriften ist eine Erhöhung nur dann möglich, wenn eine Abweichung von mehr als zehn Prozent zwischen den jährlich erforderlichen und den jährlich kalkulierten Versicherungsleistungen vorliegt und diese Veränderung nicht nur vorübergehend ist. Im Kern geht es also um unerwartete Mehrausgaben. In der Branche weit verbreitet sind jedoch Verträge, in denen geregelt ist, dass der Beitrag bereits bei einem Schwellenwert von fünf Prozent angehoben werden darf.

In einem nun vom Landgericht Bonn entschiedenen Fall hatte ein Kunde der ERGO-Tochter DKV mit einem solchen Vertrag geklagt. Er musste über die Jahre mehrere Beitragserhöhungen hinnehmen und machte Rückforderungsansprüche von zu viel geleisteten Beiträgen geltend. Dabei berief er sich auf die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen, da der erforderliche Schwellenwert von zehn Prozent nicht überschritten worden sei. Die Versicherung interpretierte den Zehn-Prozent-Faktor lediglich als eine Obergrenze, sodass abweichende Vereinbarungen zulässig seien. Das Gericht sah das indes nicht so und gab dem Kläger recht. Die Tariferhöhungen seien „unwirksam, weil die Voraussetzungen für die Einleitung von Beitragsanpassungen nicht vorlagen“. Bei den vorgelegten Faktoren habe es sich lediglich um Leistungssteigerungen von 6,8 bzw. 6,5 Prozent gehandelt und damit um weniger als die gesetzlich festgelegten zehn Prozent (Az. 9 O 396/17).

Urteil könnte massive Auswirkungen auf die Branche haben

 

Die beklagte Versicherung hat bereits Berufung eingelegt. Im Hinblick auf die eher strenge Rechtsprechung des für die Berufung zuständigen OLG Köln ist zu erwarten, dass das erstinstanzliche Urteil Bestand hat. Im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung wären die Versicherer massiven Regressansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt. Die Auswirkungen für die gesamte Branche wären immens – wobei die Frage der Verjährung eines solchen Regressanspruches noch nicht abschließend geklärt ist. Ob hier drei Jahre oder zehn Jahre greifen, muss durch die Rechtsprechung noch entschieden werden. Es bleibt spannend.


Weitere Artikel

Listing

15.07.2024 Recht | Ratgeber

Die Grenzen von Telematik-Tarifen

Gesünder leben und Prämien sparen: Telematik-Tarife werden bei Berufsunfähigkeits­versicherern immer beliebter. Doch die Klauseln müssen ausreichend transparent sein, stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klar. FOCUS MONEY-­Versicherungs­profi-­Experte Dr. Markus Weyer erklärt, warum das Urteil für die Branche so bedeutend ist.

> weiterlesen
Listing

02.07.2024 Recht | Ratgeber

Ombudsmann entscheidet über Angehörigenklausel

Haftpflichtansprüche zwischen zusammenlebenden Familienmitgliedern sind nicht versichert. Doch was, wenn eine GbR mit im Spiel ist? Diese Frage musste der Versicherungsombudsmann klären. Die Rechtsexperten des FOCUS MONEY-Versicherungsprofi, Jem Schyma und Raimund Mallmann, erläutern die Entscheidung der Schlichtungsstelle.

> weiterlesen
Listing

17.06.2024 Recht | Ratgeber

Muss Versicherung an Verkehrsrowdy zahlen?

Ein Autofahrer crashte seinen Sportwagen nach einem missglückten Drift-Versuch. Bei grober Fahrlässigkeit wäre der Versicherer in der Pflicht, bei Vorsatz nicht. Das Landgericht Coburg hatte hier eine klare Meinung. VP-Experte Norman Wirth erklärt, was das Urteil für Autofahrer bedeutet.

> weiterlesen