Kolumne 30.11.2021 Recht | Ratgeber

Unklare Gesund­heits­­fragen auf Vermittlungs­portal

Ist auf einem Vergleichsportal bei Abschluss einer Tierversicherung zu erkennen, dass es sich um Gesundheitsfragen des Versicherers handelt? Und sind diese Fragen für den Kunden präzise genug formuliert? Die Antworten liefert VP-Experte Norman Wirth.

Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de) (Foto: Wirth-Rechtsanwälte)
Experte in Sachen Versicherungsrecht: Rechtsanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte (www.wirth-rae.de)
(Foto: Wirth-Rechtsanwälte)

Der Fall.

Die Klägerin hatte über ein Internet-Vergleichsportal eine Tierversicherung für ihren Hund abgeschlossen. Beim Antrag wurde sie gefragt, „ob ihr Hund gesund sei“ – was die Klägerin bejahte. Als sie später Ansprüche aus der Versicherung geltend machte, weil der Hund operiert werden musste, warf der Versicherer ihr vor, die vorvertragliche Anzeigepflicht nach Paragraf 19 des Versicherungsvertragsgesetzes verletzt zu haben. Der Hund habe an Vorerkrankungen gelitten. Deshalb werde die Tierarztrechnung von 3287 Euro nicht übernommen. Mit ihrer Klage verlangte die Hundebesitzerin neben der Zahlung der Versicherungsleistung die Feststellung, dass die Tierversicherung nicht durch Rücktritt beendet worden ist.

Das Urteil.

Das Amtsgericht Helmstedt (Az. 2 C 681/20) hatte bereits Zweifel, ob der Klägerin eine hinreichend konkrete Gesundheitsfrage gestellt worden ist. Die Frage, ob ihr Hund gesund sei, sei so derart allgemein gehalten, dass eine bloße Antwort mit „ja“ oder „nein“ schwer möglich sei. Das Gericht vermochte einen Verstoß der Klägerin gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht nicht zu erkennen, weil sie eine pauschal gestellte Frage pauschal beantwortet habe. Außerdem war nach Ansicht des Gerichts für die Klägerin nicht zu erkennen, dass es sich bei der gestellten Frage um eine des Versicherers handelte. Zwar sei in der oberen Spalte der Internet-Seite der Name des ausgewählten Versicherers benannt, andererseits stammten die Fragen erkennbar vom Vermittlungsportal. Dieser Eindruck wurde durch ein sich öffnendes Textfeld mit der Überschrift „Warum fragen wir das?“ noch verstärkt. Das „wir“ impliziere laut Amtsgericht, dass es sich um eine Frage des Vermittlungsportals und nicht des Versicherers handle. Folglich erkannte das Gericht die Ansprüche der Klägerin vollumfänglich an, es erging ein Anerkenntnisurteil gegen den Versicherer.

Die Bewertung.

Das Amtsgericht bestätigt damit den Grundsatz, dass unklare Antragsfragen zulasten des Versicherers gehen. Ist eine Frage im Versicherungsantrag so allgemein gehalten, dass sie sich nicht eindeutig beantworten lässt, kann dem Versicherungsnehmer auch keine falsche Antwort vorgeworfen werden. Vielmehr wird man seine Antwort im Zweifel als richtig gelten lassen müssen. Der Versicherer ist daher gehalten, die Antragsfragen möglichst konkret und präzise zu fassen. Außerdem setzt das gesetzliche Rücktrittsrecht des Versicherers voraus, dass die Antragsfragen – für den Versicherungsnehmer erkennbar – vom Versicherer in Textform gestellt wurden. Er muss also eindeutig der Absender sein. Denn nur dann ist erkennbar, dass die gestellten Fragen für den Versicherer gefahrerheblich sind.


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