Kolumne 08.02.2022 Recht | Ratgeber

Was man aus dem Gold­münzen-Raub lernen kann
 

Gefahrerhöhungen sollte ein Versicherter besser melden, hohe Leistungskürzungen wegen des Versäumnisses aber auch nicht hinnehmen. Das zeigt der Fall der in Berlin gestohlenen Millionen-Goldmünze.

Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de (Foto: WILHELM Rechtsanwälte)
Experten-Duo: Jem Schyma (l.) und Malte Krohn von der Düsseldorfer Kanzlei WILHELM Rechtsanwälte sind Profis im Versicherungsrecht: www.wilhelm-rae.de
(Foto: WILHELM Rechtsanwälte)

Die Ausgangslage.

Der Diebstahl der Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum ging 2017 deutschlandweit durch die Presse. Das Diebesgut konnte nicht wieder aufgefunden werden. Die 100 Kilogramm schwere Münze war jedoch versichert. Der Marktwert liegt bei circa vier Millionen Euro.

Der Fall.

Der Versicherer kürzte die Versicherungsleistung um 80 Prozent und berief sich auf Gefahrerhöhung. Eine Gefahrerhöhung (§ 26 VVG) liegt dann vor, wenn durch Veränderung sicherheitsrelevanter Umstände ein Zustand geschaffen wird, der den Eintritt des versicherten Risikos wahrscheinlicher macht. Der Versicherer sah eine Gefahrerhöhung insbesondere in dem Umstand, dass Ende 2015 Kameras, die die Gebäudefront des Bode-Museums überwacht hatten, demontiert wurden. Hinzu kam, dass die Verschlussüberwachung eines Fensters, durch dasdie Diebe in das Museum eindrangen, ausgeschaltet war. Im Jahr 2012, als der Versicherungsvertrag abgeschossen wurde, bestand diese Einbruchsicherung noch.

Der Rechtsstreit.

Der Eigentümer (die Münze war eine private Leihgabe) erhob Klage vor dem LG Berlin auf Zahlung der offenen 80 Prozent der Versicherungsleistung und verlor (Az. 4 O 63/19). Nach Ansicht der Richter nahm das Museum eine willentliche Gefahrerhöhung vor, die dem privaten Eigentümer zuzurechnen sei. In der Folge sei der Versicherer sogar leistungsfrei.

Das Urteil.

Das Berliner Kammergericht als Berufungsgericht entschied, dass der Versicherer nur zu einer Kürzung in Höhe von 50 Prozent berechtigt sei (Az. 6 U 1015/20). Die Gefahrerhöhung sei nicht vorsätzlich erfolgt. Allerdings habe das Museum es in grob fahrlässiger Weise unterlassen, dem Versicherer das nicht reparierte Fenster zu melden.

Die Konsequenzen.

Versicherungsnehmer sind gut beraten, die tatsächliche Gefahrenlage versicherter Wertgegenstände regelmäßig zu prüfen. Im Zweifel ist eine Meldung an den Versicherer zu viel besser als eine zu wenig. Kommt es zu einem Schadenfall und der Versicherer kürzt eigenmächtig um einen unverhältnismäßig hohen Prozentsatz, sollte sich der Kunde dagegen zur Wehr setzen. Tatsächlich ist die willkürliche Kürzung bei grober Fahrlässigkeit seit dem Wegfall des Alles-oder-nichts-Prinzips ein stetes Konfliktfeld. Versicherer sollen den Spielraum zwischen 0 und 100 Prozent Kürzung eigentlich komplett ausnutzen. In der Praxis gibt es aber fast ausschließlich Kürzungen von 50 Prozent oder mehr. Das hält jedoch einer gerichtlichen Überprüfung oft nicht stand.


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