Widerspruchsklausel – eine Frage der Formulierung
Geht aus der Formulierung „rechtzeitige Absendung des Widerspruchs“ eindeutig hervor, in welcher Form Widersprüche erfolgen müssen? Mit dieser heiklen Frage hat sich jetzt der BGH befasst. VP-Rechtsexperte Dr. Markus Weyer bewertet das Urteil.
Der Fall.
Ein Versicherungsnehmer (VN) schloss 2002 eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem sogenannten Policenmodell ab (§ 5a VVG a.F.). Die Widerspruchsbelehrung lautete: „Dem Abschluss dieses Vertrags können Sie innerhalb von 14 Tagen ab Zugang dieser Unterlagen widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“ 2017 erklärte der VN den Widerspruch. Der Versicherer wies den Widerspruch und das Rückzahlungsbegehren des Klägers zurück. Der VN sei richtig belehrt worden
Der Rechtsstreit.
Weder das Amtsgericht Berlin-Spandau (Az. 12 C 125/18) noch das Landgericht Berlin (Az. 4 S 17/19) wollten dem VN Recht geben. Die Widerspruchsbelehrung sei zwar fehlerhaft, weil der Hinweis auf die notwendige Textform fehle. Der Fehler sei aber nur geringfügig. Der in der Belehrung enthaltene Hinweis auf die fristgemäße Absendung des Widerspruchs mache hinreichend deutlich, dass die Erklärung nicht nur mündlich, sondern in einer versendungsfähigen Form, also textlich bzw. schriftlich (also zusätzlich mit Unterschrift) abzugeben sei. Mit der Schriftform sei, verglichen mit der Textform, allenfalls ein nur geringfügiger Mehraufwand verbunden. Kein VN werde sich wegen eines nicht präzise angegebenen Formerfordernisses von der Ausübung seines Widerspruchrechts abhalten lassen.
Die Bewertung.
Das sah der Bundesgerichtshof (BGH) anders (IV ZR 40/21). Enthält eine Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis auf die nach § 5a VVG a.F. erforderliche Textform des Widerspruchs, liegt kein nur geringfügiger Belehrungsfehler vor. Dieser Fehler nimmt dem VN die Möglichkeit, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Der VN bleibt dann im Unklaren darüber, in welcher Form er widersprechen muss. Aus dem Hinweis, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge, wird der durchschnittliche VN nicht entnehmen, dass ein Widerspruch in Textform erforderlich, aber auch ausreichend ist. Vielmehr wird er annehmen, dass schon ein mündlicher Widerspruch genügt.
Das Fazit.
Der BGH entwickelt seine Rechtsprechung zu dem „Rust-Hackner“ Urteil des EuGH (C-355/18 bis C-357/18 und C-479/1 8) weiter und grenzt seine bisherige Rechtsprechung ab (Az. IV ZR 465/21). Da auch der neue
§ 8 VVG (Widerrufsrecht des VN) die Textform des Widerspruchs verlangt, ist die Entscheidung von größerer Bedeutung. Ohne den Hinweis auf die Textform könne der VN auf die Idee kommen, seinen Widerspruch etwa als Ton- oder Videoaufnahme, als E-Mail oder auf einem Datenträger mit der Post zu schicken, so der BGH.