20.07.2020 Recht | Ratgeber

Zahlt die Private Kranken­­versicherung die Kosten der Präimplan­tations­diagnostik?

Ein erblich vorbelastetes Paar möchte mithilfe von Präimplantationsdiagnostik (PI) sichergehen, dass sein Kind gesund zur Welt kommt. Der Versicherer will die teure Behandlung nicht bezahlen.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com). (Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
(Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

Das Thema.

In der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherungsfall als die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit und Unfallfolgen (§ 1 MB/KK) definiert. Muss der Versicherer aber auch zahlen, wenn die Überlebensaussichten eines Embryos nur mithilfe einer Präimplantationsdiagnostik (PID)-Zusatzbehandlung des Versicherten verbessert werden können? Das OLG Karlsruhe hatte dies in einem anderen Zusammenhang zuvor bejaht (Az. 12 U 107/17).

Der Fall.

Ein Mann forderte von seinem privaten Krankenversicherer die Erstattung der Kosten für eine PID im Rahmen einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation (IVF)) mit intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Er und seine Ehefrau sind Träger des Zellweger-Syndroms – eine seltene, tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit. Eine Kinderwunschbehandlung ohne PID sei ihm bzw. seiner Ehefrau wegen der Erkrankungsgefahr des Embryos und des damit einhergehenden Risikos einer Früh- oder Fehlgeburt unzumutbar. Der Versicherer verweigerte die Erstattung der PID-Kosten. Diese sei keine medizinisch notwendige Heilbehandlung, denn mit dem Zellweger-Syndrom sei kein erhöhtes Abortrisiko verbunden. Zudem sei die organisch bedingte Sterilität der Ehefrau bereits mittels vorheriger IVF und ICSI, deren Kosten der Versicherer erstattet habe, behandelt worden.

Der Rechtsstreit.

Die anschließende Klage des Versicherten blieb sowohl vor dem Landgericht Koblenz (Az. 16 O 263/17) als auch vor dem Oberlandesgericht Koblenz (Az. 10 U 1193/18) erfolglos. Beide Kammern bestätigten die Rechtsauffassung des Versicherers. Die Fortpflanzungsfähigkeit sei durch die Anlagenträgerschaft des Zellweger-Syndroms bedingungsgemäß nicht beeinträchtigt. Es liege daher kein Versicherungsfall vor.

Das Urteil.

Die Revision des Versicherten beim Bundesgerichtshof (BGH) hatte ebenfalls keinen Erfolg (Az. IV ZR 125/19). Die PID ziele nicht darauf ab, beim Versicherten selbst eine Veränderung seines Gesundheitszustands zu bewirken oder etwaige körperliche oder geistige Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen, zu heilen oder zu lindern.

Der Ausblick.

Auch der BGH stellte klar, dass kein Anrecht auf Kostenübernahme bestehe, wenn es allein um eine mögliche Krankheit des ungeborenen Kindes gehe. Das gelte selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass hier aufgrund des Zellweger-Syndroms auch ein erhöhtes Abortrisiko bestehe. Fraglich sei auch, ob die bloße Trägerschaft des vererblichen Gendefektes in diesem Fall bereits eine bedingungsgemäße Krankheit darstelle – entsprechende Symptome (anormaler Körper-oder Geisteszustand) lägen jedenfalls nicht vor.


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