13.02.2023 Recht | Ratgeber

Zankapfel Covid-19: BGH spricht Grundsatzurteil

Melderegister oder nicht? Im Zuge der amtlich angeordneten Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie kam es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. VP-Experte Dr. Markus Weyer kommentiert ein aktuelles BGH-Urteil zu dem brisanten Thema.

Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com). (Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)
Beschlagen im Versicherungsrecht: Dr. Markus Weyer von der Berliner Kanzlei Weyer Rechtsanwaltsgesellschaft (www.weyerlegal.com).
(Foto: WEYER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

Die Ausgangslage.

Eine Hotelbetreiberin ist gegen Betriebsschließungen versichert. Laut Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe im Standardregelwerk 3.4 BBSG 19 muss ihr Versicherer (VR) nur bei meldepflichtigen, im Infektionsschutzgesetz (IfSG) in §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankenheitserregern leisten.

Der Fall.

Nach Ausbruch der Covid-19-Pandemie untersagte der Landkreis mit Allgemeinverfügung von März bis Mai 2020 die Beherbergung von Touristen. Nach kurzer Lockerung verbot eine Landesverordnung im Oktober 2020 erneut Übernachtungen. Die Hotelbetreiberin bot deshalb von März bis Mai und ab November 2020 Touristen keine Übernachtungen an und verlangte Versicherungsleistung. Der VR lehnte mit Verweis auf 3.4 BBSG 19 ab. Die Allgemeinverfügung sei zudem auch keine behördliche Einzelfallmaßnahme gewesen. Die Versicherungsnehmerin (VN) zog daraufhin vor Gericht.

Der Rechtsstreit.

Das LG Hannover (Az. 2 O 164/20) sah die Klage noch als begründet an. Das OLG Celle gab der Berufung des VR teilweise recht (Az. 8 U 123/21). Von März bis Mai 2020 sei schon kein Versicherungsfall eingetreten. Es sei zwar unklar, ob die BBSG 19 sich nur auf das IfSG oder auch auf den Inhalt der Allgemeinverfügung bezieht. Bei wörtlicher Auslegung der BBSG 19 bestehe aber für März bis Mai 2020 kein Versicherungsschutz, da das IfSG erst seit Mai 2020 um Covid ergänzt wurde.

Das Urteil.

Dem stimmte der BGH zu (Az. IV ZR 465/21). Demnach konnte die VN erst ab November 2020 nach namentlicher Aufnahme von Covid-19 und der Krankheitserreger Sars-CoV-2 in §§ 6 und 7 IfSG Leistung verlangen. Die BBSG 19 verstoßen auch nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 BGB). Der durchschnittliche VN könne dem Wortlaut der Bedingungen entnehmen, dass in Ziffer 3.4 BBSG 19 die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne der hier vereinbarten Bedingungen in der Weise abschließend definiert werden.

Das Fazit.

Der BGH beendet damit den noch bestehenden Streit zu Betriebsschließungen in der Covid-19-Pandemie. Anspruch auf Versicherungsleistung besteht regelmäßig erst ab Mai 2020 mit Nennung von Covid-19 und Sars-CoV-2 im IfSG. Entscheidend dabei ist jedoch, ob ein VR in seinen Bedingungen eine konkrete Gesetzesfassung oder einen konkreten Zeitpunkt nennt. Im Einzelfall wird es außerdem weiterhin auf die regionalen Besonderheiten und die Umstände des Betriebs ankommen.


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