03.03.2022 Sparten/Produkte

Gibt es zu wenig Treuhänder in der PKV?

Laut Bundesregierung gibt es ausreichend Treuhänder, die unter anderem Prämien­steigerungen in der PKV prüfen sollen. Die Links-Fraktion hatte unter vollkommen anderen Annahmen unterstellt, dass nur 2,4 Prozent der benötigten Posten besetzt seien. Das Thema fehlender Unabhängigkeit der Prüfer bleibt indes auf der Agenda.

Seit einige Urteile PKV-Prämienerhöhungen für unzulässig erklärt haben, weil die Treuhänder, die die Ordnungsmäßigkeit der Anpassung zu testieren hatten, nicht die erforderliche Unabhängigkeit besaßen, ist deren Rolle umstritten. (Foto: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com)
Seit einige Urteile PKV-Prämienerhöhungen für unzulässig erklärt haben, weil die Treuhänder, die die Ordnungsmäßigkeit der Anpassung zu testieren hatten, nicht die erforderliche Unabhängigkeit besaßen, ist deren Rolle umstritten.
(Foto: © MQ-Illustrations - stock.adobe.com)

„Treuhänder in der privaten Krankenversicherung und in anderen Versicherungen haben wichtige Aufgaben. So müssen von ihnen beispielsweise Beitragserhöhungen genehmigt und Alterungsrückstellungen geprüft werden.“ An dieser Feststellung aus einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke an die Bundesregierung dürfte wohl kaum jemand etwas auszusetzen haben. Die nachfolgende Formulierung ist durchaus kontroverser: „Es liegen allerdings Informationen vor, dass es viel zu wenige Treuhänder gibt, um diese Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen und auch deren Unabhängigkeit steht in der Kritik. Dem gehen wir hier nach.“

Linke rechnen vor: Nur 26 statt 1200 benötigter Treuhänder

 

Zur Begründung schrieb die Fraktion, dass laut Versicherungsaufsichtsgesetz jedes Versicherungsunternehmen jeweils unabhängige Treuhänder für die Bereiche Prämienänderungen und Sicherungsvermögen benötigt. Bei letzteren kommt noch ein Stellvertreter hinzu. Bei Kranken- und Lebensversicherern sind je drei, bei den übrigen Versicherungen mindestens je zwei Treuhänderpositionen vorgeschrieben. Nimmt man die Anzahl der unter BaFin-Aufsicht stehenden Versicherer (2018: 46 Krankenversicherungsunternehmen, 85 Lebensversicherungsunternehmen, 136 Pensionskassen, 33 regulierte Pensionskassen mit Pensionsfonds, 33 Sterbekassen, 199 Schaden- und Unfallversicherungen) hinzu, ergibt sich laut der Linken mindestens ein Bedarf von 1200 Treuhänder-Positionen, die zu besetzen seien. Tatsächlich sind es zum Zeitpunkt einer früheren Antwort der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode insgesamt nur 26 aktive Treuhänder gewesen, davon 16 in der PKV. „Alle aktiven Versicherungssparten haben also weniger Treuhänder als 2,4 Prozent der gesetzlich notwendigen Treuhänderpositionen vorgehalten”, rechnete die Fraktion ihrer Anfrage vor.

Wurden 963 Treuhänder übersehen?

 

Offenbar wurde hier von der Fraktion übersehen, dass die Bundesregierung sich in ihrer damaligen Antwort nur auf diejenigen Treuhänder bezog, die bei Prämienänderungen oder Leistungsanpassungen eingeschaltet werden. Das Treuhändermandat für das Sicherungsvermögen sei dort nicht Gegenstand der Fragen gewesen. So zumindest geht es aus der vor kurzem veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 20/771 zu den insgesamt 35 Fragen der Links-Fraktion hervor. In ihr wird wunschgemäß auch die Zahl der Treuhänder für das Sicherungsvermögen und ihre Stellvertreter nach Sparten aufgelistet. Zusammengerechnet ergibt sich hier eine Anzahl von 963. Somit relativiert sich das unterstellte Defizit bereits enorm.

Bundesregierung hält Zahl für ausreichend

 

Beim Thema Prämienanpassung in der PKV gibt es laut Zahlen des Bundesfinanzministeriums derzeit 14 aktive Treuhänder, die sich um deren Rechtmäßigkeit kümmern. Diese Anzahl sei aus Sicht der Bundesregierung „grundsätzlich ausreichend“, auch wenn es sich um eine zeitintensive Aufgabe handele. Demnach benötigt ein Treuhänder für die Prüfung der in einem Jahr anfallenden Prämienänderungen eines Krankenversicherers im Durchschnitt rund 200 Stunden. Zudem würden die Treuhänder dabei drei Mandate im Jahr wahrnehmen, also bei drei Versicherern über die Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen befinden. Damit sei das Volumen zu bewältigen, bei dem es vor allem um die Prüfung der Berechnungsgrundlagen des Versicherers geht.

Bei der Unabhängigkeit soll nachgebessert werden

 

Ein weiteres Thema: Treuhänder sind Versicherungsaktuare, die vom beaufsichtigen Versicherungsunternehmen wirtschaftlich unabhängig sein müssen. Doch genau hierüber gibt es immer wieder Kontroversen und juristischen Auseinandersetzungen. 2018 lehnte der Bundesgerichtshof ab, dass Zivilgerichte die Unabhängigkeit von Treuhändern prüfen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) hält sich indes auch nicht für zuständig. So bleibt das Thema am Kochen.

Die Linke zog in ihrer Anfrage in Zweifel, ob ein Treuhänder, der bis zu 15 Jahre lang ununterbrochen für einen Versicherer tätig ist, dennoch unabhängig sein kann. Dies wurde seitens des Finanzministeriums allerdings wie von der Vorgängerregierung bejaht. Dennoch spricht sich die neue Bundesregierung dafür aus, die Unabhängigkeit der Treuhänder auszubauen. „Es liegt auch im Interesse der Bundesregierung, wenn das Leitbild des Treuhänders weiter gestärkt wird“, heißt es in der Antwort. Dies sollte zuerst im Rahmen des geltenden VAG erfolgen, weil die Kriterien für die Unabhängigkeit dort nicht abschließend normiert sind.


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