Gesundheitsversorgung und Pflegereform: Hohe Belastung für nachfolgende Generationen
Tariflohnpflicht und mehr Zuschüsse für Heimbewohnerinnen und -bewohner: Die Große Koalition hat die Pflegereform durchs Parlament geboxt. Auch Krankenhäuser sollen personell besser ausgestattet werden. Der PKV-Verband warnt vor Unterfinanzierung und Wettbewerbsverzerrung.
Der Bundestag hat die „kleine Pflegereform“ beschlossen. Sie sieht ab September 2022 unter anderem vor, dass Einrichtungen ihren Pflegekräften Tariflöhne zahlen müssen. Die Refinanzierung der Mehrausgaben läuft über die Pflegekassen. Zum Ausgleich soll die soziale Pflegekasse aus dem Bundesetat jährlich eine Milliarde Euro erhalten. Rund eine halbe Million Pflegekräfte werden von der Reform nicht nur finanziell profitieren, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sie sollen mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl der richtigen Hilfsmittel sowie der häuslichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhalten. Ein einheitlicher Personalschlüssel für Pflegeeinrichtungen ermöglicht künftig die Beschäftigung zusätzlicher Pflegekräfte.
Entlastung für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen
Mehr Kompetenzen für das Personal – aber auch Entlastung für Heimbewohnerinnen und -bewohner: Deren Eigenanteil soll im ersten Jahr um fünf Prozent sinken. Im zweiten Jahr übernimmt die Pflegekasse 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent. Allerdings werden sonstige Kosten wie für Unterkunft und Verpflegung dabei nicht berücksichtigt. In der ambulanten Pflege sollen die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um fünf Prozent steigen.
Kritik: Reform ist unterfinanziert
Zum Nulltarif gibt es die Verbesserungen nicht: Die soziale Pflegekasse soll aus dem Bundesetat jährlich eine Milliarde Euro erhalten. Außerdem ist eine Anhebung des Pflegebeitrags für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte vorgesehen. Das könnte rund 400 Millionen Euro in die Kassen spülen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) kritisiert allerdings die Unterfinanzierung der geplanten Leistungserweiterungen, die nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums Mehrausgaben in Höhe von 3,14 Milliarden Euro zur Folge haben könnten: Mit Blick auf die demografische Entwicklung handele es sich um eine Leistungsausweitung ohne nachhaltige Finanzierungsperspektive. Der PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther warnt vor einer großen Belastung der kommenden Generationen: „Das sind die Steuererhöhungen von morgen.“
PKV warnt vor Wettbewerbsverzerrung durch Steuerhilfen für die GKV
Höhere Ausgaben könnten mittelfristig auch auf gesetzlich Krankenversicherte zukommen. Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, mit dem die Neuregelungen zur Pflege von der Koalition verknüpft worden war, sieht unter anderem Verbesserungen bei der Personalbemessung in Krankenhäusern sowie in der Palliativversorgung vor. Zur Beitragsstabilisierung erhält die gesetzliche Krankenversicherung im kommenden Jahr einen ergänzenden Bundeszuschuss von sieben Milliarden Euro für 2022.
Die Bundesregierung will so die Sozialversicherungsabgaben auf unter 40 Prozent halten. Dies sei notwendig, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, „um wettbewerbsfähig zu bleiben“ und „um Arbeit nicht teurer zu machen“. Scharfe Kritik kommt auch hier von der PKV: „Höhere Bundeszuschüsse lösen die Finanzprobleme der GKV nicht, sondern verstecken sie nur“, warnt Reuther. „Das bedeutet zusätzliche Staatsverschuldung und in der Folge dann höhere Steuern.“ Außerdem werde der Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung massiv verzerrt.